- Paul Laurenzi
Büstenhalter
(2)
Büstenhalter (3, überlasteter)
Büstenhalter
(4) Jessica sieht zwei Augen von unbestimmter Farbe hinter
dem Sehschlitz eines wollenen Kopfschützers funkeln und fühlt -sich an einen
mittelalterlichen Ritter in seiner Sturmhaube erinnert. Welches Wesen soll dieser
Mann wohl heute für seinen König erlegen? Die Trümmerhalde wartet auf ihn, eine
gegen geborstene Brandmauern getürmte Schuttschräge, aus der ziellos Lattenwerk
klafft - Fußbodenbretter, Möbelteile, Glas, Gipsbrocken, lange Bahnen zerfetzter
Tapete, gespaltenes, zersplittertes Gebälk: ein Nest, von irgendeiner Frau in
langen Jahren zusammengetragen, nun wieder in einzelne Halme zerlegt, dem Wind
und der Dunkelheit zurückgegeben. Im Hintergrund blinzelt ein Messing-Bettpfosten
aus dem Verfall: darumgeschlungen ein Büstenhalter, weiß, Vorkriegsmode, aus
Spitze und Satin, einfach in seiner Verstrickung zurückgelassen ... Für einen
Augenblick überkommt Jessica ein unbezähmbares Schwindelgefühl, all das Mitleid,
das sich in ihrem Herzen aufgestaut hat, fliegt diesem zarten weißen Ding zu
wie einem kleinen Tier, das irgendwo verlassen in der Falle sitzt. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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