ündel   Von der Erhebung sah ich weit unten die Druve... und den kleinen Steg... und dann, mitten auf der Straße... etwas wie ein großes Bündel... Kein Irrtum!... Auf vielleicht drei Kilometer Entfernung lag es im Schotter... Ich wußte sofort, wer das war... Am grauen Gehrock erkannte ich ihn... und am Rostgelb der Buxen... Wir liefen haste was kannste hinunter... «Laufen Sie nur geradeaus weiter!...» sagte ich zu ihr... «Ich springe hier den Pfad hinunter!...» Es war eine sehr starke Abkürzung... Ich war schnell unten... Bei der Masse... Der Alte war ganz eingeschrumpft... Der Kopf vollkommen zertrümmert! ... Er hatte fast keinen Schädel mehr... Den Schießprügel hielt er noch umklammert... Der Doppellauf steckte im Mund... und auf der andern Seite zum Kopf hinaus... Das ganze Fleisch war in Fetzen, in Schleim, in Fransen... Große Blutklumpen, Haarsträhnen mit der Kopfhaut... Augen hatte er überhaupt nicht mehr... Die Nase war wie umgestülpt... Das ganze Gesicht war ein Loch... mit klebrigen Rändern... mit einer Blutkugel mitten drin, die das Ganze verstopfte... und kleinen Rinnsalen, die bis zur andern Straßenseite liefen... Besonders vom Kinn, das wie ein Schwamm aussah, triefte es... ganze Lachen Blut hatten sich mit Eis vermengt... Die Alte hat sich das alles genau angeschaut... Sie blieb wie angenagelt davor stehen... Sie brachte kein Wort hervor... Ich faßte einen Entschluß.., «Wir wollen ihn auf die Böschung tragen...» sagte ich... Wir knieten nieder... Wir rüttelten ein wenig an dem Bündel... Wir versuchten es aufzuheben... Ich zog am Kopf... Aber es ging nicht!... Er war angefroren... Den Rumpf und die Beine hätte man noch losgekriegt, wenn man sehr fest gezogen hätte... Aber der Kopf, das Haschee, war mit den Straßensteinen verwachsen... Der Körper war gekrümmt wie ein Z... der Kopf auf dem Gewehrlauf aufgespießt... Man hätte den Körper erst gerade biegen müssen... und die Waffe herausziehen...  - (tod)

Bündel  (2)  Ich lag einmal im Militärlazarett, mein Kopf war schwer, schwerer als sonst, und ich träumte von Strohhut und Spazierstock anstatt von Helm und seitlich geschliffenem Schützengrabenspaten. Von einer kühlen Ecke beiKempinski träumte ich und mußte ein bißchen dabei aufstoßen, denn der Kunsthonig, der auf den grauen Kriegsschrippen so altmeisterHch graugrün leuchtete wie die Malgründe der alten Italiener, machte den Magen rebellisch. Neben mir lag ein Berliner Kutscher, dem einTeil des Bauches fehlte.

«Sieh mal», sagte er ein bißchen lallend, halb unter der Wirkung der Spritzen, die er dauernd bekam. (Hatte eine Natur wie ein Ochse.) «Sieh mal, Kammrad», sagte er und versuchte, auf seine Mitte zu zeigen, «komisch, Karnmrad» — er sprach in Berliner Dialekt, der Finger wollte zeigen, kam aber nicht ganz hoch — «komisch, det hatte ick doch allet noch bei mir, hatte ick — wo sind denn bloß meine Beene, die habe ick irgendwo liejenjelassen — wenn ick mir nur ainnern könnte, Kamnirad, wenn ick mir nur ainnern könnte — nu habe ick ne Einfahrt, aber ne Ausfahrt is nich mehr da, weg is die...»

Wieder wollte er auf seine klumpförmige Mitte zeigen, aber Hand und Finger versagten. Er stöhnte halb bewußtlos und sank in Schlaf. In der Nacht starb er ganz geräuschlos, ohne Laut, ein unförmiges Bündel.  - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

 

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