Weit in die Fluten ragt wie ein Keil ein Hügel mit langem Rücken;
an beiden Flanken umspült ihn die Woge des Meeres. Den besteigt
der wilde Cyclop und setzt sich inmitten; ungetrieben folgen
die wolletragenden Schafe. Als er zu Füßen sich dort die Fichte
gelegt, die zum Stab ihm diente — sie hätte getaugt, als Mastbaum
Rahen zu tragen —, als er die Flöte gefaßt, die aus hundert
Rohren gefügt war, da vernahmen all die Berge sein Hirtengetön,
vernahmen die Wellen es all. Doch ich, auf dem Schoß .meines
Acis sitzend, von Felsen versteckt, ich hab' aus der Ferne mit
eignen Ohren die Worte gehört und hab, was ich hörte, behalten.
„Leuchtender du, Galatea, als Blätter des weißen Liguster, blühender
du als Wiesen und schlanker als ragende Erlen, blanker als Glas
und munterer du als ein zierliches Böckchen, glatter als Muscheln,
die stetig die Wellen des Meeres geschliffen, höher willkommen
als Sonne im Winter, als Schatten im Sommer, edler als Äpfel
und stattlicher du als die hohe Platane, glänzender du als Eis
und süßer als zeitige Trauben, weicher du als der Flaum des
Schwans und geronnene Milch und schöner, wolltest du nur nicht
fliehn, als berieselter Garten, — wilder du auch, Galatea, als
ungebändigte Stiere, härter als älteste Eichen und trüglicher
du als die Welle, zäher als Weidenruten und weißer Reben Geranke,
minder beugsam als hier die Felsen, jäher als Bergstrom, stolzer
als der gepriesene Pfau und schärfer als Feuer, rauher als Stechwurz
und grimmiger du als die Bärin mit Jungen, tauber als Brandung
und weniger mild als getretene Viper und, was vor allem ich
wollte dir nehmen können, geschwinder du — nicht nur als der
Hirsch, der von lautem Bellen verfolgt ist — nein, noch flüchtiger
du als Wind und geflügelter Lufthauch.
Wüßtest du's jedoch recht, dann verdrösse dich, daß du geflohn,
ver- dammtest du selbst dein Zögern und mühtest dich, fest mich
zu halten. Höhlen habe ich, Teile des Berges, im hangend gewachsnen
Fels, wo du mitten im Sommer nicht spürst die Gluten der Sonne,
wo du den Winter nicht spürst. Hab' Äpfel schwer an den Ästen, habe
an langen Ranken dem Golde gleichende Trauben, habe die purpurnen
auch, will diese und jene dir reichen. Wirst mit eigener Hand
die im Waldesschatten gereiften zarten Erdbeeren und wirst Herbstcornelien
pflücken, Pflaumen, nicht solche allein, die blau mit glänzendem
Saft sind, nein, veredelte auch, die mit frischem Wachs zu vergleichen.
Nicht der Kastanie Frucht wird dir fehlen, wenn ich dein Mann
bin, die der Meerkirsche nicht: ein jeder Baum wird dir dienen.
All dies Vieh ist mein, und viel auch schweift in den Tälern,
viel verbirgt sich im Wald, und viel ist gestallt in den Höhlen.
Fragst du etwa, wie viele an Zahl: ich kann es nicht sagen.
~ Sache des Armen, zu zählen sein Vieh! Vom Lob meiner
Kühe sollst du nichts glauben, du kannst mit eigenen
Augen es sehen, wie mit den Schenkeln sie kaum die prallen
Euter umtreten. Habe als kleinere Zucht in warmen Ställen die
Lämmer, hab' auch, an Alter gleich, in anderen Ställen die Böcke.
Schneeweiße Milch fehlt nie bei mir. Zum Trinken bewahr' ich
einen, den anderen Teil macht flüssiges Lab mir gerinnen.
Nicht die billigen Freuden und Gaben, die jeder kann geben, sollen
dir werden zuteil wie Ziegen, Hasen, ein Geisbock oder von Tauben
ein Paar, ein Nest, geholt aus dem Wipfel, — hoch in den Bergen
hab' ich gefunden der sottigen Bärin Junge, ein Zwillingspaar;
mit denen könntest du spielen, beide einander sich gleich, du
kannst sie kaum unterscheiden. Hab' sie gefunden und sprach:
„Die werden bewahrt für die Herrin!"
Hebe nur jetzt dein leuchtendes Haupt aus dem bläulichen Meere,
jetzt, Galatea, komm, verachte nicht meine Gaben! Kenne
ich doch mich selbst; ich habe mich neulich im klaren Spiegel
des Wassers gesehn, und gefallen hat mir mein Anblick. Sieh,
wie groß ich bin! Im Himmel Juppiter ist nicht größer als dieser
Leib. — Ihr erzählt ja gerne, ich weiß nicht was für ein Juppiter
herrsche. Hinein in das männliche Antlitz wächst mir in Fülle
das Haar und umschattet wie Wald meine Schultern. Daß der Leib
so dicht von struppigen Borsten mir starrt, das halte für schimpflich
nicht. Nein, schimpflich ein Baum ohne Blätter, schimpflich ein
Pferd, dem nicht die gelbliche Mähne den Hals hüllt. Federn
bedecken die Vögel, dem Schaf ist die Wolle zur Zierde, Bart
und ragende Borsten am Leibe zieren die Männer.
Habe ein einsiges Auge inmitten der Stirne, doch mächtig gleich
einem Schilde. Und sieht die gewaltige Sonne nicht alles hier
aus der Höh? Und doch hat sie nur eine einzige Scheibe! Dann:
mein Vater herrscht in eurem Meere, und diesen gebe zum Schwäher
ich dir. Erbarme dich nur und erhöre nur eines Bittenden Flehn.
Denn dir allein unterlieg' ich. Der ich Juppiter, Himmel, durchbohrenden
Blitzstrahl verachte, fürchte, o Nereuskind, dich. Dein Zorn
ist schlimmer als Blitzstrahl.
Und ich ertrüge mit größrer Geduld, verschmäht mich zu sehen,
würdest du alle fliehn. Warum, den Cyclopen verachtend, liebst
du den Acis und suchst statt meiner Umarmung den Acis? Aber
er mag sich selbst, er mag, was mich wurmt, Galatea, dir auch
gefallen, er soll, sobald sich Gelegenheit bietet, fühlen, daß
meine Kräfte der Größe des Leibes entsprechen. Lebend reiß ich
die Därme ihm aus, zerstreu' die zerstückten Glieder aufs Feld,
dein Meer — so mag er mit dir sich vereinen! — Denn ich glühe,
und hitziger kocht das beleidigte Feuer. Den, so scheint es,
mitsamt seiner Glut in die Brust mir versetzten Aetna trag ich
in mir, doch dich, Galatea, dich rührt's nicht!"
Derart klagt er umsonst, dann steht er — ich sah nämlich alles
— auf und kann wie ein Stier, der rast, weil die Kuh ihm geraubt
ward, nicht verweilen und schweift durch Wald und bekanntes
Gebirge. Da erblickte der Wilde den Acis und mich, die wir dessen
nicht uns versahen, und rief: „Ich sehe euch wohl, und ich werde
sorgen, daß dies der letzte Verein eurer Liebe gewesen!"
Und seine Stimme war die eines wild erzürnten Cyclopen,
ja, es ließ sein Gebrüll den ganzen Aetna erbeben.
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