Brabbeln   In der Kneipe macht der Herr Museumsdirektor eine weniger gute Figur als im Salon. Na ja, wenig Beschäftigung, das Altern, da langweilt er sich mehr als nötig und tröstet sich, indem er sich öfter einen hinter die Binde gießt. Trotzdem würde ihn der Wirt nicht vor die Tür setzen wie einen hergelaufenen Saufbruder, nein, er faßt ihn mit Samthandschuhen an, bedient ihn selbst, redet mit ihm über die verstorbene Gattin, er schenkt ihm das Glas nur halbvoll nach, dann viertelvoll, bis der andere auf dem Tisch zusammensackt und schnarcht. Diese Art Besoffenheit ist ganz harmlos verglichen mit dem Gelärme, den Streitereien von anderen Betrunkenen. Es zerreißt einem nur das Herz, einen so vornehmen Herrn in einer solchen Spelunke zu sehen und in Gesellschaft von sämtlichen Trunkenbolden des Viertels. Denn bevor er einduselt machen sich die Kerle über ihn lustig, sie schlagen ihm auf die Schulter, hänseln ihn, beschimpfen ihn als alten Sack, und der Patron kann sie nicht ständig anschreien oder seine Theke im Stich lassen um ihnen die Leviten zu lesen.

An einem Tag wie diesem hatte der Versicherungsmakler, der auf dem Weg zum Meister war, die Bekanntschaft des Museumsdirektors gemacht, er schlief noch nicht, hatte aber schon eine schwere Zunge und lallte eine Geschichte von einem entführten oder verführten Kind oder Notzucht oder Flucht nach Betrug oder Bankrott oder der Himmel weiß was, ein entsetzliches Geschwafel, er heulte, brabbelte was von schwerer Schuld oder schweren Schulden, von seinem Vergehen oder Versehen, die Polizei, die Feuerwehr, der Feldhüter, alle kamen vor. Und dann ist er zusammengesackt und hat dabei sein Glas umgestoßen. Eine Stunde später schlief er immer noch.  - Robert Pinget, Der Feind. Berlin  1988

Brabbeln (2)  Die Witwe läutete zum Abendbrot, und man mußte pünktlich da sein. Wenn man aber zu Tisch kam, so konnte man nicht etwa gleich mit essen anfangen, sondern  mußte warten, bis die Witwe gesenkten Kopfes irgend etwas über den Speisen gebrabbelt hatte, obschon eigentlich gar nichts Besonderes damit los war. Nur war jedes bißchen für sich gekocht. In so einer Abfalltonne geht es anders zu; da wird alles durcheinandergemischt, der Saft schwappt ordentlich herum, und es rutscht besser.

Nach dem Abendbrot nahm sie ihr Buch vor und belehrte mich über Moses und die Propheten, und ich war begierig, alles über ihn zu erfahren; doch nach und nach kam's heraus, daß Moses schon ziemlich lange tot war, und von da ab wollte ich nichts mehr von ihm wissen, denn ich interessiere mich nun mal nicht für Tote. - Mark Twain, Huckleberry Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)

 

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