Bovarysmus    »Dem Menschen ist die Macht verliehen, sich ungeachtet dessen, was er in Wirklichkeit ist, als anderer zu verstehen,« So definierte in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts der heute ein wenig in Vergessenheit geratene Essayist Jules de Gaultier ein Phänomen, das er »Bovarysmus« mit Blick auf den psychologischen Gehalt des berühmten Sittenromans von Gustave Flaubert nannte. Das Verhalten einer Romanfigur illustrierte für ihn in beispielhafter Form eine Veranlagung, die er als eine wesentliche, die Bewegung des menschlichen Geistes steuernde Kraft betrachtete, eine besondere Kraft des Menschen, der beständig dazu neigt, sich Illusionen über sich selbst zu machen, und der im übrigen in einer Welt aufgeht, die, von der Illusion beherrscht, letztlich nur ein Produkt des Denkens ist. Trotz einiger Vorbehalte gegen die etwas konfusen philosophischen Ausführungen Gaultiers, der zur Bildung dieses Begriffs noch nicht einmal einen Mythos, sondern ein literarisches Werk heranzieht, wird hier meines Erachtcns doch zu Recht ein Wesenszug hervorgehoben, der es dem Menschen überall und zu jeder Zeit erlaubt hat, sich von dem Tier, das er im Grunde ist, zu unterscheiden.   - Michel Leiris, Leidnschaften. Frankfurt am Main 1992
 

Selbstbild Illusion

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