luttheorie   In unserer Sprache sind  noch Überbleibsel einer viel älteren Vorstellung als eine Art verbaler Fossilien erhalten geblieben: daß nämlich die Erbanlagen von unserem Blut aufbewahrt und übertragen werden. Dieser Gedanke ist uns so vertraut, daß wir nicht einmal innehalten, wenn wir auf Ausdrücke wie «königliches Geblüt», «böses Blut», «Blutsverwandter», «blaues Blut» oder «gemischtes Blut» stoßen. Diese «Bluttheorie» wurde zuerst von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384—322 v.Chr.) und anderen seiner Zeitgenossen entwickelt. Sie glaubten, daß der männliche Samen aus gereinigtem Blut gemacht sei. Der dickste Teil des Bluts in unseren Adern wurde demnach von den Fleischteilen absorbiert, während der Rest auf dem Weg zu den Geschlechtsorganen in den dünnen, warmen und schaumigen Zustand des Samens umgewandelt wurde.

Nach dieser Theorie hatte der männliche Elternteil den bedeutsamsten Einfluß bei der Vererbung (nicht umsonst gehörten Aristoteles und seine Kollegen dem männlichen Geschlecht an!), der seinen Ausdruck in der Bewegung und «formenden Kraft» seines Samens fand. Der weibliche Beitrag lag im Menstrualblut; dessen Hauptwirkung bestand darin, die Energie des Samens zu hemmen. Abweichungen und Mißbildungen konnten ein Ergebnis dieser Wechselwirkung sein. Oder wie Aristoteles es formulierte: «Denn auch der Nachkomme, der seinen Erzeugern nicht gleicht, ist bereits eine Mißbildung: vorbei- und herausgetreten ist nämlich die Natur bei solchen gewissermaßen aus der Art. Der Anfang dazu geschieht bereits bei der weiblichen Geschlechtsbildung statt der männlichen. Aber diese ist der Natur unentbehrlich, weil die Art der geschlechtlich getrennten Lebewesen erhalten werden muß.» - Robert Shapiro, Der Bauplan des Menschen. Frankfurt am Main 1995 (zuerst 1991)

Blutband Theorie
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