lutdurst
Das ist neben dem Grauen das Zweite, was den Kämpfer
mit einer Sturzflut roter Wellen überbrandet: der Rausch, der Durst nach Blut,
wenn das zuckende Gewölk der Vernichtung über den Feldern des Zornes lastet.
So seltsam es manchem klingen mag, der nie um Dasein gerungen: Der Anblick
des Gegners bringt neben letztem Grauen auch Erlösung von schwerem, unerträglichem
Druck. Das ist die Wollust des Blutes, die über dem Kriege hängt wie ein rotes
Sturmsegel über schwarzer Galleere, an grenzenlosem Schwunge nur der Liebe
verwandt. Sie zerrt schon im Schoße aufgepeitschter Städte die Nerven, wenn
die Kolonnen im Regen glühender Rosen den Morituri-Gang zum Bahnhof tun.
Sie schwelt in den Massen, die sie umrasen mit Jubelruf und schrillen Schreien,
ist ein Teil der Gefühle, die auf die zum Tode Schreitenden Hektatomben niederschauern.
Gespeichert in den Tagen vor der Schlacht, in der schmerzhaftem Spannung des
Vorabends, auf dem Marsche der Brandung zu, in der Zone der Schrecknisse vorm
Kampfe aufs Messer, lodert sie auf zu knirschender Wut, wenn der Schauer der
Geschosse die Reihen zerschlägt.
Sie ballt alles Streben um einen Wunsch: Sich
auf den Gegner stürzen, ihn packen, wie es das Blut verlangt, ohne Waffe, im
Taumel, mit wildem Griff der Faust. So ist es von je gewesen. - Ernst Jünger, Der
Kampf
als inneres Erlebnis (zuerst 1922)