lick, männlicher  Sobald eine Touristin sich an der Kreuzung zeigte, geriet sie in Eusèbes Gesichtsfeld, worauf er sie zu Beobachtungszwecken so lange mit dem Blick begleitete, bis sie verschwand. Wenn sie auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig ging, betrachtete er sie im Profil. Wenn sie vor ihm die Straße überquerte, um zum anderen Bürgersteig zu gelangen (dem Bürgersteig, der dem gegenüberliegenden Bürgersteig gegenüberlag), betrachtete er sie von vorn. (Damit sie die Straße nicht allzufrüh überqueren konnte und auch nicht hinter ihm, so daß er sich hätte umdrehen müssen, hatte er auf dieser Seite der Lebensmittelhandlung auf höchst überzeugende Weise Mülleimer und alte Lattenkisten aufgestellt.) Wenn sie dann schließlich an ihm vorbeigekommen war und vor allem, wenn sie durch die Rue des Milleguiettes weiterging, betrachtete er sie von hinten und ganz aus der Nähe. Er stand auf seinem Beobachtungsposten, ein wenig breitbeinig, wobei die graue Hose mit den verbeulten Knien fast die Schuhe bedeckte, sein grünes, mit sowohl eß- als auch zermatschbaren Lebensmitteln beflecktes Trikot mehr recht als schlecht in die Hose gestopft, die graue Rentnermütze der französischen Gas- und Elektrizitätswerke ziemlich schief auf dem Kopf.

Sein Körper war so gut wie völlig bewegungslos, ausgenommen der Kopf, der sich, um die Augen zu begleiten, um seine Achse (die wir Hals nennen wollen) drehte, und, zu diesem Kopf gehörig, der stark vorstehende, spitze und schlecht rasierte Unterkiefer, der mit einem höchst wirkungsvollen Speichelgeräusch und einem undeutlichen Brumm-Gemurmel metrisch auf- und niederging (ein Satz, den er von seinem Großvater gelernt, dessen Bedeutung er jedoch nie gekannt hatte und den er ausschließlich für sich selber dahinsagte, als Slogan, Ermahnung oder Kommentar: »Bei mir klappt's gut, bei mir klappt's fein!«); aber er schaute ihr nicht ins Gesicht, nein; er schaute nicht auf ihre Füße; er schaute auch nicht auf ihren Hals, nicht auf die Schultern, und kaum, aber wirklich kaum auf die Knie (und auch nur dann, wenn sie nackt waren). Er folgte ausschließlich den Bewegungen der Mittelteile, Schenkel, Bauch, Brust und Rücken, und versuchte, als echter Forscher, aus dem Sichtbaren das gut (mehr oder weniger gut) versteckte Unsichtbare abzuleiten, achtete auf die vielsagenden Schamhügel, auf das gesegnete Fehlen von Büstenhaltern, auf gewisse Stoffe, die die günstig kombinierten physischen Gesetze der Bewegung und des Reibens manchmal deutlich höhergleiten ließen, wobei es sogar vorkam, daß sie sich zwischen den Pobacken festklemmten, vorausgesetzt, sie besäßen ausreichend Fleisch, Festigkeit, Deutlichkeit und Formausbuchtung (der Gebrauch der grammatikalischen Form »besäßen« hat sich uns aus musikalischen Gründen aufgedrängt, trotz der nicht ganz korrekten Anwendung). Er versäumte es nie, die Linien der Ränder der Slips oder Höschen wahrzunehmen, sichtbar durch den linearen und reliefartig lokalisierten Wulst. Ganz besonders, speichelmäßig könnte man fast sagen, lauerte er auf die anfallsweise auftretenden Ereignisse: Seitenentdeckungen dank aufgesprungener Blusenknöpfe; Schamhaarfarben, die durch einen Minirock ohne Unterwäsche ans Licht kamen (und zwar ganz besonders im Falle eines möglichen Widerspruchs mit dem Farbton des Kopfhaares (und nur dann ging sein Blick höher als bis zum Kinn); die präzisen Hinteransichten, zu denen er beim Herabbeugen der Person zwecks Aufhebens eines zu Boden gefallenen Gegenstands gelangte, ließen ihn erschauern. Bei diesen seltenen und gesegneten Gelegenheiten wurde er von einer Art Ekstase heimgesucht, aus der er nur durch eine neue Erscheinung, Trägerin neuer Hoffnungen, herausfand.  - Jacques Roubaud, Die schöne Hortense. München 1992 (dtv 11602, zuerst 1985)

Blick, männlicher (2)  

Männlicher Blick

  - Gregor von Rezzori, in: Kurt Böttcher, Johannes Mittenzwei, Zwiegespräch. Deutschsprachige Schriftsteller als Maler und Zeichner. Leipzig 1980

Blick, männlicher (3)  Die Blicke dieser Männer - schleichend, hinterhältig, klebrig, feuerglühend -, durch die man hindurchging wie durch einen Natternwald, sie waren es, die ihm das Blut zu Kopf steigen ließen. Nur zu gut wußte unser Giovanni, was diese Augen sagen wollten, dieses flüchtig aufblitzende Lächeln und diese Zeigefinger, die auf den oder jenen Körperteil Ninettas zeigten, aber rasch von der Faust eines Freundes niedergehalten wurden mit dem Hinweis auf ›ihn‹. Er wußte endlich, daß ihrem Vorübergehen und jenen Blicken die Gespräche über sein Mädchen folgen würden, über dieses »unverschämte Trumm von einem Weibsbild«, und dann die Uhuuus, die Seufzer, die Rippenstöße und schließlich das Beiseitetreten des Feurigsten der Gesellschaft, damit er einen Augenblick lang den sinnverwirrenden Gegenstand vergessen und sich beruhigen konnte. - Vitaliano Brancati, Don Giovanni in Sizilien.Zürich 1987 (zuerst 1942)
 
 

Blick, lüsterner

 

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Verwandte Begriffe
Synonyme
Männerblick
Weiberarsch Damenbein