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bebrillter Wenn er nun den Frauen auf der Straße begegnete,
die sich doch schon zu ungreifbaren Schatten verflüchtigt hatten, so war allein
die genaue Betrachtung jenes Spieles von hervor- und zurücktretenden Kurven,
das ihre Körper in den Kleidern vollführten, die Abschätzung ihrer Hautfrische,
die im Blick enthaltene Glut nicht nur ein Sehen, sondern geradezu ein Besitzergreifen.
Er ging zum Beispiel ohne Brille dahin (denn er trug sie nicht ständig, sondern
nur, wenn er in die Feme blicken wollte), und da hob sich vor ihm auf dem Bürgersteig
ein Kleid in lebhafter Farbe ab. Mit einer schon automatischen Handbewegung
zog Amilcare die Brille aus dem Futteral
in seiner Innentasche und setzte sie auf die Nase. Oft mußte er seine straflose
Genüßlichkeit dennoch bezahlen: es war eine Alte. Amilcare Carruga wurde vorsichtiger.
Und wenn ihm jetzt eine entgegenkommende Frau nach Farbe und Bewegung zu bescheiden,
zu unbedeutend erschien, als daß es sich lohnte, sie in Augenschein zu nehmen,
kam es vor, daß er die Brille gar nicht erst aufsetzte; trafen sie sich dann
und streiften sich fast in der Begegnung, bemerkte er jedoch, daß an ihr irgend
etwas war, das ihn stark anzog, und er glaubte in diesem Augenblick einen Blick
ihrer Augen aufzufangen, in dem Erwartung stand, und vielleicht hatte sie ihn
schon beim ersten Anblick so angesehen und er hatte es nicht bemerkt; jetzt
war es zu spät und sie war um die nächste Ecke gebogen oder in den Autobus gestiegen,
jedenfalls außer Sichtweite, und er würde sie nicht wiedererkennen. So, von
der Brille gelenkt, lernte er langsam das Leben. -
Italo Calvino, Abenteuer eines Reisenden. München 1988 (dtv 10961, zuerst 1951)
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