lick,
abschätzender
Mit dreister und verwegener Miene ging er an den Cafés
vorüber, und mit einem flüchtigen Blick auf Aussehen und Kleidung jedes Gastes
schätzte er, wieviel Geld der bei sich haben mochte. Da befiel ihn Zorn
gegen diese Leute, die so ruhig dasaßen. Wenn man ihre Taschen durchwühlte,
fände man Gold-, Silber- und Nickelmünzen und Sous. Im Durchschnitt mochte wohl
jeder zumindest zwei Louisdors haben, und gut einhundert Gäste saßen in jedem
Café; hundertmal zwei Louisdors, das sind viertausend Francs! „Diese Schweine!"
brummte er und wiegte sich graziös in den Hüften. Wenn
ihm einer davon an irgendeiner Straßenecke im tiefen Dunkel in die Hände gefallen
wäre, dem hätte er den Hals umgedreht, wirklich und wahrhaftig, ganz ohne Bedenken,
wie er es zur Zeit der großen Manöver mit dem Geflügel der Bauern gemacht hatte.
- Maupassant, Bel-ami. Hattingen 1961 (zuerst 1885)
Blick,
abschätzender (2) Ihre kalten Augen blickten mich forschend
an, aber es war kein Verdacht in ihnen zu erkennen. Ich merkte, daß die Frage,
ob ich die Wahrheit sagte oder nicht, sie nicht beunruhigte. Sie versuchte,
mich als Mann abzuschätzen. Diesen ruhigen, abwägenden Blick kann ich nicht
beschreiben. Sex war nicht darin, nicht einmal die natürliche Sympathie, mit
der ein Mensch die Existenz eines anderen zu erfassen versucht. Ich war für
sie wie eine Ware, ein Ding, das von jedem intimen Interesse unendlich weit
entfernt ist. So habe ich selber mir Pferde angesehen, wenn ich eins kaufen
wollte, mit sachlicher Begutachtung der Schultern, der Sprunggelenke, der Gangart.
Und so müssen die früheren Herren von Konstantinopel die Sklaven betrachtet
haben, die das Kriegsglück ihnen auf den Markt brachte: abschätzend, ob sie
sich für diese oder jene Arbeit eigneten, ohne einen Gedanken daran, daß beide,
Käufer und Verkaufte, Menschen waren. - John Buchan, Grünmantel.
Zeichnungen von Topor. Zürich 1980 (zuerst 1916)
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