leistift Vor
der Tafel macht ein schwarzglänzender Mann drollige und, wie ich mich aus lange
vergangenen Zeiten erinnere, angenehm obszöne Bewegungen. Dieses lustige Männlein
trägt den nach oben gezwirbelten Schnurrbart meines
Vaters. Nach ein paar Zeitlupensprüngen mit gespreizten Beinen und angewinkeltem
Knie, wobei er sich zur Seite neigt, lächelt er und zieht aus der Hosentasche
einen dicken Bleistift aus einem weichen Material, das ich nicht genauer zu
beschreiben vermag. Er macht sich schwer atmend an die Arbeit; hastig zieht
er schwarze Linien über die imitierte Mahagonitafel, die rasch neue, überraschende
und abstoßende Formen aufnimmt. Die Ähnlichkeit mit wilden oder schlüpfrigen
Tieren steigert er, bis sie unter seiner Hand zu leben beginnen und mir Furcht
und Angst einflößen. Mit seinen Künsten zufrieden, packt der Mann seine Geschöpfe
und steckt sie in etwas wie einen Behälter, den er zu diesem Zweck ins Leere
malt. Er setzt den Inhalt des Gefäßes in Bewegung, indem er ihn mit dem dicken
Bleistift immer schneller umrührt. Schließlich dreht sich das Gefäß selbst und
wird zu einem Kreisel. Aus dem Bleistift wird eine Peitsche. Jetzt erkenne ich,
daß dieser seltsame Maler mein Vater ist. Er führt die Peitsche mit aller Kraft,
seine Bewegungen werden vom schrecklichen Keuchen seines Atems begleitet wie
von den Stößen einer ungeheuren, rasenden Dampfmaschine. Drauflosschlagend läßt
er ihn um mein Bett kreisen und springen, diesen widerwärtigen Kreisel, den
Inbegriff aller Schrecken, die mein Vater mit Hilfe seines scheußlichen weichen
Bleistifts auf einem imitierten Mahagonibrett liebevoll hervorrufen kann.
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Max Ernst, nach: Als die Surrealisten noch recht hatten. Texte
und Dokumente, Hg. Günter Metken. Stuttgart 1976
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