- Fredillo
Binnenschiffahrt (2) Die Mulattin hat sich rücklings an Slothrop gelehnt, nach hinten greifend, um seine Erektion zu betasten, die nichts von der Außenwelt trennt als die schlechtgebügelte Smokinghose irgendeines Unbekannten. Alle sind sichtbar erregt. Thanatz sitzt auf der Bartheke und läßt sich seinen bis dato unbehausten Penis von einem der weißbehandschuhten Wenden lutschen. Zwei Kellner knien auf den Deckplatten und lecken die triefenden Genitalien einer Blondine in einem weinroten Samtkleid, die währenddessen glühend über die hohen und schimmernden Stöckelabsätze einer älteren Dame in zitronengelbem Organza schleckt, welche gerade damit beschäftigt ist, filzgefütterte silberne Handschellen um die Gelenke ihrer Eskorte, eines jugoslawischen Artilleriemajors in Galauniform, zu legen, der auf dem Boden kniet und Nase und Zunge zwischen die braun und blau geschlagenen Arschbacken einer langbeinigen Ballerina aus Paris gesteckt hat, die ihr Seidenkleid mit folgsamen Fingerspitzen für ihn aufhält, während ihre Gefährtin, eine hochgewachsene Schweizer Scheidungswitwe in einem enganliegenden Lederkorsett und schwarzen Russenstiefeln, das Oberteil des Kleides ihrer Freundin öffnet und deren entblößte Brüste geschickt mit einem halben Dutzend dorniger Rosenstengel zu peitschen beginnt, bis Blutstropfen, rot wie die Rosen, aus den Brustwarzen und direkt in den Mund eines weiteren Wenden spritzen, dem gleichzeitig von einem auf dem Deck sitzenden pensionierten holländischen Bankier einer runtergeholt wird, indessen zwei anbetungswürdige Schulmädchen, Zwillingsschwestern in Zwillingskleidern aus geblümtem Voile, besagtem Banker Schuhe und Socken ausziehen, seine beiden großen Zehen in ihre kleinen, weichen Mu-schis einführen, sich an seine Beine schmiegen und seinen zotteligen Bauch abzuküssen beginnen, die hübschen Zwillingsärsche hoch in die Luft gereckt, um in ihren analen Öffnungen die Schwänze der beiden Kellner zu empfangen, welche erst unlängst, wir erinnern uns, ein Stückchen oderaufwärts, mit ihren Zungen in der saftigen Blondine mit dem Samtkleid beschäftigt waren ...
Was Slothrop angeht, so endet er zwischen den runden, wabbeligen Titten einer Wienerin mit Haaren von der Farbe eines Löwinnenpelzes und smaragdgrünen Augen, deren Wimpern so dicht sind wie ihr Pelz, von wo aus sein Sperma in die Höhlung ihres gebogenen Halses und über die Diamanteil ihres Colliers spritzt, die alterslos durch den Schleier seines Samens hindurchfunkeln - und er hat dabei ein Gefühl, als ob es allen zugleich gekommen wäre, aber das kann ja kaum sein, oder? Er registriert, daß der einzige Unbeteiligte, abgesehen von Antoni und Stefama, der japanische Verbindungsoffizier war, der ein Deck höher auf einem Stuhl gesessen und beobachtet hat. Nein, nicht masturbierend oder so was, einfach nur beobachtend, den Fluß, die Nacht... ein unergründliches Völkchen, diese Japse, wissen wir ja.
Nach kurzem Atemschöpfen findet ein allgemeiner Rückzug aus den diversen
Körperöffnungen statt, das Trinken, Kiffen, Koksen, Quatschen hebt von neuem
an, viele beginnen sich auch zu verdrücken, um etwas Schlaf zu kriegen. Hier
und da trödelt noch ein Paar oder eine Triole miteinander herum. Ein C-Saxophonist
hat den Schalltrichter seines Instruments zwischen die weitgespreizten Schenkel
einer gutaussehenden Matrone mit Sonnenbrille gedrückt, ja, Sonnenbrille bei
Nacht, das ist schon eine ganz schön degenerierte Gesellschaft, in die Slothrop
hier geraten ist - der Saxophonist spielt «Chattanooga Choo Choo», und diese
tiefen Vibrationen machen sie ganz wild. Ein Mädchen mit einem riesigen Glas-Godemiche,
in welchem Baby-Piranhas in einer dekadent lavendelfarbenen Flüssigkeit herumschwimmen,
amüsiert sich zwischen den Hinterbacken eines stämmigen Transvestiten in Spitzenstrümpfen
und einem gefärbten Zobelmantel. Eine montenegrinische Herzogin wird simultan
in ihren Chignon und ihren Nabel gefickt, und zwar von einem Pärchen Achtzigjähriger,
die nichts als Reitstiefel anhaben und die ganze Zeit eine Art technischer Diskussion
in einer Sprache führen, die Kirchenlatein zu sein scheint. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981
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