Biest, elendes  »Roßknopf, das ist ein seltsamer Name.« »Wie heißt denn du?« »Ich heiße Klotz.« »Der Name ist auch nicht besser.« »Wohin willst du denn?«

»In die Welt hinaus, Ruhm und Reichtum suchen.« »Willst du bei mir in Dienst treten, hier Holz hacken, bis mein Hund heimgeht, folgen, wenn mein Sohn Kveldulf dich ruft, und aufstehen, wenn mein Hahn kräht?«

»Ich habe nichts dagegen«, sagt Roßknopf, und so werden sie handelseins.

Klotz geht dann heim, und Roßknopf nimmt die Axt und fängt an Holz zu hacken. Aber kaum ist Klotz verschwunden, steht ein großer Hund unter einem Baum auf, wo er auf seinen Pfoten gelegen hatte, und scheint losgehen zu wollen. Aber weil es noch heller Tag ist und Roßknopf meint, sein Tagewerk sei ziemlich klein, bleibt er ruhig sitzen und hackt noch eine Weile weiter. Da führt sich der Hund so wild und bösartig auf und fletschte seine Zähne so ungeheuerlich, daß Roßknopf mit seiner Axt ausholte und sie dem Hund auf den Kopf schlug, und da fiel er tot zu Boden. Roßknopf hackt weiter Holz, bis es anfängt dunkel zu werden. Dann steht er auf und geht den Pfad entlang zum Hof. Als er zum Hofplatz kommt, sieht er den Klotz draußen, und der macht ein finsteres Gesicht und sagt: »Wie kommt es denn, Roßknopf, daß du nicht heimgegangen bist, als mein Hund gehen wollte?«

»Das war deswegen«, sagt Roßknopf, »weil er mir an die Beine fahren wollte, als mir das Tagewerk noch zu gering erschien und ich noch nicht gehen wollte; da fiel er mich an, und so habe ich ihn erschlagen.«

»Du hast meinen Hund erschlagen?« »Ja, paßt dir vielleicht was nicht?« sagt Roßknopf und hebt die Axt.

»Ach nein, er war sowieso ein elendes Biest«, sagt Klotz und schlurft davon.

Roßknopf sieht nun, daß ihn niemand ins Haus bittet, und deshalb geht er hinein durch die offenen Türen und kommt in ein Zimmer, in dem ein Bett gerichtet ist, und darauf steht eine Platte mit gutem Essen. Er setzt sich nieder und fängt an zu essen. Als er eben erst begonnen hat zu essen, da hört er etwas schreien, und er denkt sich, das dürfte Kveldulf sein, »und wenn er dem Hunde ähnlich ist, wird er sich wohl auch so aufführen, aber mein Essen will ich erst haben, was auch sonst geschieht.« Er ißt nun erst zu Ende und geht dann hinaus; aber er stürzt so rasch durch die Tür, daß ihn Kveldulf, der über der Tür auf dem Giebel stand, verfehlte, und die Axt fiel ihm aus der Hand auf die große Steinplatte vor der Tür. Roßknopf hebt sie auf, und als Kveldulf herunterkommt, holt er mit der Axt aus und schlägt sie ihm in den Nacken. Dann hebt er den Türstein auf und legt den Toten darunter, dabei aber sieht er die Leichen seiner beiden Brüder.

»Ja, hier seid ihr also, und mit mir sollte es wohl auch so geschehen«, sagt Roßknopf. »Das ist nun Ruhm und Reichtum, von denen daheim in der Hütte gesprochen wurde.« Er deckt die Steinplatte wieder darüber, und jetzt fängt er an, auf Rache zu sinnen. Gleich darauf trifft er den Bauern auf dem Hofplatz, und der macht ein böses Gesicht und runzelt die Brauen. »Warum folgst du nicht, Roßknopf, wenn mein Sohn Kveldulf ruft?«

»Es war besser, daß ich es nicht getan habe«, sagt Roßknopf, »denn er wollte mich umbringen, als ich aus der Tür ging, aber ich gewann und habe ihn erschlagen.«

»Du hast meinen Sohn Kveldulf erschlagen?« »Paßt dir vielleicht was nicht?« sagt Roßknopf und hebt die Axt.

»Ach nein, er war sowieso ein elendes Biest.«

Roßknopf geht nun hinein und will sich niederlegen; das Bett ist gut bereitet, und er freut sich aufs Ausruhen. Er streift seine Kleider ab und streckt sich behaglich in dem weichen Bett, aber kaum ist er fest eingeschlafen, da schreckt er auf einmal auf von einem fürchterlichen Krähen unter seinem Bett. Er denkt bei sich, nach all den anderen Dingen auf diesem angenehmen Hof wird das sicher der Hahn sein, der kräht. Da steht er schnell auf aus dem Bett, nimmt die Axt in die Hand, langt damit unter das Bett,  kommt dort an irgendetwas Großes und haut das  in Stücke. Da hört das Krähen auf. Nun schläft er bis zum Morgen.

Als es hell geworden ist, steht er auf, nimmt die Axt und geht hinaus auf den Hofplatz. Dort trifft er den Bauern und sagt ihm guten Tag. Der Bauer antwortet nicht viel darauf und macht ein ganz finsteres Gesicht.

»Warum bist du nicht aufgestanden, Roßknopf, als mein Hahn krähte?« fuhr er ihn an.

»Paßt dir vielleicht was nicht?« sagt Roßknopf und hebt die Axt. »Er fing an unter meinem Bett zu krähen, als ich gestern abend eben eingeschlafen war, und da habe ich mit der Axt nach ihm geschlagen und ihn umgebracht.«

»Du hast meine Mutter erschlagen?« »Paßt dir vielleicht was nicht?« sagt Roßknopf und hebt die Axt. »Ach nein, sie war sowieso ein elendes Biest.«   - Märchen aus Island. Hg. Kurt Schier. Augsburg 1998 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

 

Tier, armes

 

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