Beziehung, abstrakte    Der leicht kurzsichtige Herr mit dem Sprachfehler und der Pfeife wohnt im gleichen Haus, in dem auch eine schweigsame, schüchterne, magere und von Grund auf junge Dame wohnt. Der Herr und die Dame leben in achtbarer Einsamkeit, auch wenn die Wohnung der Dame an übermäßiger Ordnung und die Wohnung des Herrn an ihrem Mangel krankt. Sie sehen sich praktisch jeden Tag - bei einer raschen und zufälligen Begegnung, mit leichtem Lächeln und hingehauchtem Gruß. Jeder der beiden hat auf verschiedene Weise über die Gegenwart des anderen nachgedacht. Ohne Schwärmerei, ohne Liebe, aber nichtsdestoweniger lange. Jeder fühlt sich ein wenig - jedoch nicht unangenehm - durch die Gegenwart des anderen gestört. Keiner von beiden hat je daran gedacht, daß ihre so zufällige Bekanntschaft auch in einen spezifischeren und freundschaftlichen Dialog münden könnte. In der Tat wünschen sie gar nicht, einander zu kennen und miteinander zu sprechen. Das gänzlich unerhebliche Problem, das jeder für den anderen darstellt, hört trotzdem nicht auf, das Leben beider auf geringfügige aber hartnäckige Weise zu beunruhigen. Jeder der beiden hat deshalb versucht zu verstehen, was da wohl geschehen sein könnte, wie eine so abstrakte Beziehung überhaupt entstanden sein könnte, und was diese Belästigung, diese Bekümmernis, die jeder für das Leben des anderen darstellt und darzustellen weiß, wohl zu bedeuten hätte. Tatsächlich weiß jeder, daß der andere auf irgendeine Weise berührt und betroffen ist und betrachtet diesen Kontakt als ein bizarres Rätsel.

Die Dame ist zu dem Schluß gekommen, daß der leicht kurzsichtige Herr einige Anzeichen von Halluzinationen aufweist.  - (pill)

Beziehung

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