Beweis, empirischer  Der große Dichter Su Dung Po liebte es, von Geistern zu erzählen; doch hatte er selber keinen je gesehen. Ein anderer namens Yüan Dschan hat eine Abhandlung geschrieben, daß es keine Geister gebe. Da kam eines Tages ein Gelehrter und begehrte ihn zu sehen.

„Seit alten Zeiten", fing er an, „gibt es wahre Geschichten von Göttern und Geistern. Wie kommt Ihr nur dazu, daß Ihr sie leugnet ?"

Da setzte ihm Yüan Dschan vernunftgemäß die Gründe auseinander, so daß ein weiterer Widerspruch nicht möglich war.

Da wurde der Gelehrte böse.

„Ich bin doch selbst ein Geist", sprach er.

Und ehe er ausgeredet, verwandelte er sich in einen Teufel mit grünem Angesicht und rotem Haar, erschrecklich anzusehen und fürchterlich. So sank er in die Erde und verschwand. - (chm)

Beweis, empirischer (2) »Ich weiß«, sagte der Mann, »wenn ich immer geradeaus gehe, komme ich an diesen Tisch zurück. «

»Das weiß ich«, sagte er, »aber das glaube ich nicht, und deshalb muß ich es ausprobieren.« »Ich werde geradeaus gehen«, rief der Mann, der weiter nichts zu tun hatte, denn wer nichts zu tun hat, kann geradesogut geradeaus gehen. Nun sind aber die einfachsten Dinge die schwersten. Vielleicht wußte das der Mann, aber er ließ sich nichts anmerken und kaufte sich einen Globus. Darauf zog er einen Strich von hier aus rund herum und zurück nach hier. Dann stand er vom Tisch auf, ging vor sein Haus, schaute in die Richtung, in die er gehen wollte, und sah da ein anderes Haus.

Sein Weg führte genau über dieses Haus, und er durfte nicht um es herum gehen, weil er dabei die Richtung hätte verlieren können. Deshalb konnte die Reise noch nicht beginnen. Er ging zurück an seinen Tisch, nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf: »Ich brauche eine große Leiter.« Dann dachte er daran, daß hinter dem Haus der Wald beginnt, und einige Bäume standen mitten auf seinem geraden Weg, die mußte er überklettern, deshalb schrieb er auf sein Blatt: »Ich brauche ein Seil, ich brauche Klettereisen für die Füße.« Beim Klettern kann man sich verletzen. »Ich brauche eine Taschenapotheke«,  schrieb der Mann.   »Ich brauche einen Regenschutz, Bergschuhe  und  Wanderschuhe,   Stiefel   und Winterkleider und Sommerkleider. Ich brauche einen Wagen für die Leiter, das Seil und die Eisen, für Taschenapotheke, Bergschuhe, Wanderschuhe, Winterkleider, Sommerkleider.« Jetzt hatte er eigentlich alles; aber hinter dem Wald war der Fluß, darüber führte zwar eine Brücke, aber sie lag nicht auf seinem Weg.

»Ich brauche ein Schiff«, schrieb er, »und ich brauche einen Wagen für das Schiff und ein zweites Schiff für die beiden Wagen und einen dritten Wagen für das zweite Schiff.« Da der Mann aber nur einen Wagen ziehen konnte, brauchte er noch zwei Männer, die die andern Wagen ziehen, und die zwei Männer brauchten auch Schuhe und Kleider und einen Wagen dafür und jemanden, der den Wagen zieht. Und die Wagen mußten alle vorerst einmal über das Haus; dazu braucht man einen Kran und einen Mann, der den Kran führt, und ein Schiff für den Kran und einen Wagen für das Schiff und einen Mann, der den Wagen für das Schiff für den Kran zieht, und dieser Mann brauchte einen Wagen für seine Kleider und jemanden, der diesen Wagen zieht.

»Jetzt haben wir endlich alles«, sagte der Mann, »jetzt kann die Reise losgehen«, und er freute sich, weil er jetzt gar keine Leiter brauchte und auch kein Seil und keine Klettereisen, weil er ja einen Kran hatte.

Er brauchte viel weniger Dinge: Nur eine Taschenapotheke, einen Regenschutz, Bergschuhe, Wanderschuhe, Stiefel und Kleider, einen Wagen, ein Schiff, einen Wagen für das Schiff und ein Schiff für die Wagen und einen Wagen für das Schiff mit den Wagen. Zwei Männer und einen Wagen für die Kleider der Männer und einen Mann, der den Wagen zieht, einen Kran und einen Mann für den Kran und ein Schiff für den Kran und einen Wagen für das Schiff und einen Mann, der den Wagen für das Schiff mit dem Kran zieht, und einen Wagen für seine Kleider und einen Mann, der den Wagen zieht, und der kann seine Kleider auch auf diesen Wagen tun und die Kleider des Kranführers auch; denn der Mann wollte möglichst wenige Wagen mitnehmen.

Jetzt brauchte er nur noch einen Kran, mit dem er den Kran über die Häuser ziehen konnte, einen größeren Kran also, dazu Kranführer und ein Kranschiff und einen Kranschiffwagen, einen Kranschiffwagenzieher, einen Kranschiff-wagenzieherkleiderwagen und einen Kranschiffwagenzieherkleiderwagenzieher, der dann auch seine Kleider und die Kleider des Kranführers auf den Wagen laden konnte, damit es nicht zu viele Wagen braucht.

Er brauchte also nur zwei Kräne, acht Wagen, vier Schiffe und neun Männer. Auf das erste Schiff kommt der kleine Kran. Auf das zweite Schiff kommt der große Kran, auf das dritte Schiff kommen der erste und der zweite Wagen, auf das vierte Schiff kommen der dritte und der vierte Wagen. Er brauchte also noch ein Schiff für den fünften und sechsten Wagen und ein Schiff für den siebten und achten Wagen. Und zwei Wagen für diese Schiffe. Und ein Schiff für diese Wagen. Und einen Wagen für dieses Schiff. Und drei Wagenzieher.

Und einen Wagen für die Kleider der Wagenzieher.

Und einen Wagenzieher für den Kleiderwagen. Und den Kleiderwagen kann man dann auf das Schiff laden, auf dem erst ein Wagen steht. Daß er für den zweiten großen Kran einen dritten noch größern braucht und für den dritten einen vierten, einen fünften, einen sechsten, daran dachte der Mann gar nicht.

Aber er dachte daran, daß nach dem Fluß die Berge kommen und daß man die Wagen nicht über die Berge bringt und die Schiffe schon gar nicht.

Die Schiffe müssen aber über die Berge, weil nach dem Berg ein See kommt, und er brauchte Männer, die die Schiffe tragen, und Schiffe, die die Männer über den See bringen, und Männer, die diese Schiffe tragen, und Wagen für die Kleider der Männer und Schiffe für die Wagen der Kleider der Männer. Und er brauchte jetzt ein zweites Blatt Papier. - Peter Bichsel, Kindergeschichten. Frankfurt am Main 1990 (zuerst 1969)

Beweis, empirischer (3)

 

- Jean-Marc Reiser

 

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