Seit er erwachsen sei, sagte Chucky oft, wäre er um vieles ruhiger geworden, hätte er eine Ebene gefunden, auf der er in Frieden leben könnte. Die Leitersprossen, die ihn da hinaufgeführt hatten: Als erstes vermasselte er das Einführungssemester zum Jurastudium im Wake Forest College. Dann erlebte er ein unwahrscheinlich grauenhaftes ›High‹ in Vietnam nach sieben Monaten an den Front - zweihundert Tage, die zu einem Moment zusammenschmolzen, als er keinen Muskel rühren konnte, fast den Verstand verlor und außer Selbstmord keine Möglichkeit sah, dieser Panik Herr zu werden. Und er hatte es versucht, mit aller Macht versucht hatte er es - bis sie ihn dann im Veteranenhospital in Memphis mit Thorazin auf den Boden zurückholten. Die letzte Sprosse war Miami gewesen, wo Charles Lindsay Gorman III seine Chucky Buck-Phase durchlebte, Geschäfte machte, reich wurde und sein Glück in einer stetigen Dosierung von Valium und Aufputschmitteln wie Qualude fand - vor Mahlzeiten oder immer dann, wenn sein Gemütszustand in einen rasenden Leerlauf geriet.
Der Effekt der Drogen bestand darin, daß er sich vorkam, als würde er unter Wasser schwimmen, nur ohne Wasser. Oder im Licht schweben. Er war zwar immer noch in Bewegung, spürte auch den Drang danach, aber er bewegte sich nicht mehr kinetisch, sondern er schwebte. Er brauchte nur aufzutanken und sich von der Stimmung tragen zu lassen. Dazu setzte er sich den Strohhut schräg auf den Kopf, glitt über den Parkettboden seines Arbeitszimmers und tänzelte steifbeinig zum Kool-and-the-Gang-Beat, den er sich leise im Kopf andrehte. Und wenn er so dahinschwebte, zerplatzten Hunderttausende von bunten Lämpchen wie Leuchtkugeln in seinem Kopf, aber lautlos, ohne jedes Geräusch. »Denn verstehst du«, sagte Chucky, »das Gehör ist dann so akut, daß man den Kopf schalldicht machen und die Dezibel ganz runterdrehen muß.«
Er hatte dieses Phänomen mal aus irgendeinem Grund Eddi Moke erklärt, dem
jungen Burschen, der für die Kubaner arbeitete, und Moke hatte gefragt: »Tatsache?
Du schwebst? Ich glaube, du hast einen Gehirnschaden, Mann. Du solltest dich
mal untersuchen lassen.« - Elmore Leonard, Stick. München 1990 (zuerst
1983)
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