eweger, unbewegter  Während man jungen Ziegenbraten und mit Knoblauch und Zwiebeln gefüllte Gänsewürste, sowie Wildschweinschinken und Pfauenbrüste verspeiste, diskutierte man darüber, ob die Philosophie des Aristoteles eine wahre Philosophie sei, ob die wahre Philosophie sich immer im Einklang mit der wahren Religion befinde, und folglich, ob ein wahrer Christ die philosophischen Lehrsätze des Atheners akzeptieren könne. Zu jener Zeit war Aristoteles noch nicht von der christlichen Kultur vereinnahmt worden, und die Unterhaltung hatte einen heiklen und strittigen Punkt erreicht.

»Auch wenn wir in dem Unbewegten Beweger des Athener Philosophen ein Bild Gottes erkennen wollen, wie viele vorgeben«, sagte der Hoftheologe, »so ist doch nicht klar, warum Gott unbewegt sein soll. Das Prinzip der Göttlichkeit ist im Gegenteil per se bewegt, und seine Attribute müßten vielmehr das Strömen der Luft, die unendliche Ausdehnungsfähigkeit und die Geschwindigkeit sein.«

Zur Geschwindigkeit Gottes meldete sich der Mathematiker zu Wort: »Die Geschwindigkeit kann nur dann ein göttliches Attribut sein, wenn sie absolut ist, und daran besteht, wie ich glaube, kein Zweifel. Aber die absolute Geschwindigkeit bedeutet, daß das Subjekt im selben Augenblick ankommt, in dem es aufbricht.«

Der Kuropalates Leo Phokas stutzte einen Augenblick, legte dann die Gänsewurst, in die er gerade beißen wollte, auf den Teller zurück, und griff in das Gespräch über die Geschwindigkeit Gottes ein.

»Diese Frage ist schwer zu lösen, denn die Behauptung des illustren Mathematikers würde das Prinzip der Widerspruchsfreiheit Lügen strafen, das schon Anaxagoras formuliert hatte, und das im folgenden gerade von Aristoteles übernommen und weitergeführt wurde als einer der Kernpunkte der Logik.«

»Aristoteles ist ein heidnischer Philosoph«, warf der Theologe unverzüglich ein »und deshalb können wir, wenn wir von den Attributen des christlichen Gottes sprechen, seiner Logik getrost widersprechen. Man sollte vielmehr Proklos bedenken, der in seiner Institutio theologica behauptet, daß die Existenz des Ersten Unbewegten Bewegers die Existenz dessen bedingt, was sich bewegt, d. h. dessen, was vom Ersten Beweger bewegt wird. In der Tat ist jedes Wesen entweder unbewegt oder eigenbewegt oder bewegt durch Anstoß von außen. Daraus geht hervor, daß Anstöße zur Bewegung nur der geben kann, den Aristoteles den Unbewegten Beweger nennt. Eure Rede zieht nicht in Betracht, daß das Unbewegte etwas bewegt, das ihm fremd ist, das aber der Beschränkung der Unbewegtheit nicht unterworfen sein kann, insofern es auch die anderen Wesen in sich begreift und deshalb als selbstbewegt katalogisiert werden muß. In diesem Fall ist die Bewegung reine Ausdehnung, die keinen Ausgangs- und Ankunftspunkt verlangt, weshalb die Geschwindigkeit, die ich als göttliches Attribut genannt habe, sich im Körper des fälschlicherweise im Unbewegten Beweger des Aristoteles erkannten Höchsten Wesens selbst vollzieht. Wenn wir indes das Attribut der Geschwindigkeit von anderen Attributen abhängig machen, in einer notwendig unendlichen Folge, dann sprechen wir von der Wissenschaft des Nichts, wie Proklos es nennt, und es wäre besser zu schweigen, wie uns der Glaube befiehlt.«  - Luigi Malerba, Das griechische Feuer. Berlin 1991 (zuerst 1990)

Beweger, unbewegter (2)  Der Gottesbeweis des Aristoteles argumentierte mit einer Ersten Ursache, die, selbst unbewegt, Ursprung aller Bewegung sein sollte. Tatsächlich erforderte aber das aristotelische Weltbild siebenundvierzig oder gar fünfundfünfzig unbewegte Beweger; und seine Dialektik läßt das Verhältnis dieser zu Gott unklar. Dazu kam als ganz wesentliches Problem, daß Gott laut Aristoteles nicht als der Schöpfer alles Existierenden zu denken wäre, sondern vielmehr als der Eine, der die bereits vorhandene Urmaterie geformt hat. Aber im fünften Jahrhundert hatte Augustinus dann als unerschütterliches Fundament des christlichen Glaubens festgestellt, daß Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, und daß er dies nicht früher getan hat, weil die Zeit selbst erst mit der Welt zusammen erschaffen wurde. Thomas Aquinas löste solche Schwierigkeiten mit Argumenten, die zu jener Zeit unwiderlegbar schienen. Zum Beispiel meinte er hinsichtlich des unbewegten Bewegers und Schöpfers, daß alles Bewegte von irgend-etwas in Bewegung gesetzt werden muß, daß aber ein endloser Regreß dieser Art unmöglich ist, so daß man direkt zum Beweis Gottes als des unbewegten Bewegers und Schöpfers geführt würde.  - Bernard Lovell, Das unendliche Weltall. Geschichte der Kosmologie von der Antike bis zur Gegenwart. München 1988
 
 

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