eutetier   Miß Crimp hatte  wirklich Grund, gereizt zu sein. Sie liebte einen Hilfsgeistlichen. Es war demütigend.

Reverend Michael Stanford lebte nun schon drei Jahre in Allingford. Wenigstens seit einem dieser drei Jahre kannte ihn Miß Crimp. Sie hatte ihn in Roland House getroffen, wo er am Montagmorgen der sechsten Klasse Unterricht im Katechismus gab. Miß Crimp war nicht der Mensch, der seine Gefühle verbarg. Durch Winke, die etwas weniger subtil waren als Zaunpfähle, war Mr. Stanford gewahr geworden, welche Verheerungen er angerichtet hatte. Entzücken war deshalb bei ihm nicht wahrzunehmen. Miß Crimp bemerkte sein Bedauern, setzte aber ihre Versuche dennoch fort.

Es kam nicht oft vor, daß Elsa Crimp sich bewußt einen anderen Menschen zum Vorbild nahm. Unbewußt war ihre ganze Haltung von der anderer Menschen geprägt, hauptsächlich solcher, die in Chelsea lebten. Aber sie war sich dessen nicht bewußt. Doch seit einigen Wochen beobachtete Elsa Crimp nachdenklich und versonnen Amy Harrison. Sie mochte Amy Harrison nicht, ja sie verabscheute sie. Es war aber nicht zu leugnen, daß Miß Harrisons Methoden effektiv waren. Man konnte sich unmöglich vorstellen, daß ihr das Opfer entkam, so sehr es sich während der Verfolgung auch drehen und wenden mochte. Miß Crimp wachte, speicherte Gesehenes und ging daran, gleichermaßen zu verfahren. Dennoch lief Mr. Stanford noch frei umher. Es war zum Auswachsen.

Sie zündete eine neue Zigarette an.

Mr. Stanford mußte kompromittiert werden, das war alles. Hoffnungslos, unwiderruflich kompromittiert. Wie aber zum Teufel sollte man einen Mann kompromittieren, der sich wand und der rannte, wenn er einen auch nur aus der Entfernung sah? Das war das Problem.

Die Zigarette erwies sich nicht als hilfreich.

Sie warf sie weg und zündete eine neue an.

Verliebt zu sein, kostete schrecklich viele Zigaretten.

Der Hilfsgeistliche Michael Stanford bürstete sein Haar. Er bürstete und bürstete bis sein Haupt schimmerte. Er dachte an Elsa Crimp.

Er dachte: »Lieber möchte ich sterben als sie heiraten. Aber letzten Endes wird sie mich doch fangen. Ich halte es nicht mehr länger aus. Es hat keinen Sinn, mich beim Vikar zu beklagen. Er würde es nicht verstehen. Er würde lachen. Ich habe ihr immer wieder gesagt, daß ich die Ehelosigkeit der Geistlichen für ein unumstößliches Prinzip halte. Doch was tut sie? O guter Himmel, was tut sie nicht? Niemals habe ich bisher ein solches Mädchen gesehen. Es ist schrecklich. Und es hat auch keinen Sinn, daß ich von hier weggehe. Sie würde mir einfach folgen.

O Gott, o Gott.«

Er legte die Bürste weg und sank neben seinem Bett auf die Knie und betete darum, von Elsa Crimp erlöst zu werden.

Es lag nur wenig Überzeugung in seinem Gebet. Zum erstenmal seit seiner Kindheit begann der Hilfsgeistliche Michael Stanford an der Allmacht des Allmächtigen zu zweifeln.  - Anthony Berkeley, Der Kellermord. München 1979 (zuerst 1932)

 

Jagd Beute

 

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