Zum Beispiel hätte sich Maigret, ehe er den Vertreter verhörte, genauer über ihn informieren müssen. Dazu hätte er die Daten, die er morgen von Gelot & Sohn bekommen würde, und die Auskünfte des Notars gebraucht.
Er hatte es vorgezogen, den Vertreter zu beunruhigen, ihn zu warnen und ihm nicht zu verbergen, daß er von nun an überwacht wurde.
Einen Augenblick hatte er daran gedacht, Aline nichts zu sagen und sie am nächsten Morgen überraschend mit ihrem Flurnachbarn zu konfrontieren und ihre Reaktion zu sehen.
Aber dann hatte er doch mit offenen Karten gespielt. Sie wußte jetzt, daß er über eine Verbindung zwischen ihr und Barillard im Bilde war.
Sie wurden beide überwacht. Sie konnten sich nicht sehen und nicht miteinander telefonieren. Und wenn sie das Haus verließen, wurden sie verfolgt.
Würden sie unter diesen Umständen schlafen
können? Maigret hatte es mit Monsieur Louis genauso gemacht. Auch er wußte
jetzt, daß die Polizei ihm auf Schritt und Tritt auf den Fersen war. Was
diese drei verschiedenen Menschen miteinander verband, wußte er noch nicht.
Aber alle drei waren beunruhigt, und Maigret hatte alles getan, um diese
Unruhe so weit wie möglich zu steigern. -
Georges Simenon, Maigret hat Geduld. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane
99, zuerst 1965)
- (
gom
)
Beunruhigung (3) Dein Sohn hat es zu nichts gebracht, dachte er und las weiter in dessen Buch, das ihn seltsamerweise beunruhigte, obwohl er's nicht genau verstand und manchmal nur vermuten konnte, was gemeint war. Aber es kam ihm vor, als ob sein Sohn mit seinen Sätzen eine Wand weggezogen hätte, hinter der die eigenen Befürchtungen zu Bildern geworden waren, in denen er, der Leser, herumging und sich nun selbst begegnete als einer, der er vielleicht einmal gewesen war oder in den er sich verwandeln konnte, allerdings erst nach dem Tode. Und er las die Stelle, wo ein Mann namens Ich seinem Vater begegnete, mit dem er sich bei Lebzeiten gut verstanden hatte, der ihn jetzt aber wissen ließ, er sei als Vater zu rücksichtsvoll mit ihm, dem Sohn, umgegangen; denn Ärger mit dem Vater, ja sogar Haß auf ihn, stärke dem Sohn das Rückgrat.
Im Buch kam einer in eine verlassene Fabrik, wo eine Maschine wie ein gestrandetes
Schiff in den zementierten Boden eingesunken war. Hinter der Maschine redeten
zwei junge Frauen miteinander, von denen eine eine tiefe Wunde in der Seite
hatte. Auf einem Matratzenlager liegend, zeigte sie die Wunde ihrer Freundin
und erzählte, die habe sie sich selber zugefügt, nachdem ihr Geliebter von ihr
weggegangen sei: »Ich hab mich über die Bettkante hängen lassen, und die war
aus geschliffenem Eisen.« - Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1986)
Beunruhigung (4) Es geschieht auch einer Frau Erwähnung,
die, von einem Incubus häufig im Bette beunruhigt, eine
fromme Genossin bat, daß sie an Stelle der Beunruhigten im Bette läge. Als sie
das getan hatte, fühlte sie in der ganzen Nacht gewisse sehr schwere Beunruhigungen,
während sie früher doch Ruhe gehabt hatte. — Es wird auch von GuileImus
bemerkt, daß die Incubi mehr solche Frauen und Mädchen zu beunruhigen scheinen,
welche schönes Haar haben, darum weil sie der Besorgung oder dem Schmuck derartiger
Haare obliegen; oder weil sie durch das Haar die Männer zu entflammen wünschen
oder gewohnt sind; oder weil sie sich dessen in eitler Weise rühmen; oder weil
die himmlische Güte das zuläßt, damit die Weiber abgeschreckt werden, die Männer
dadurch zu entflammen, wodurch auch die Dämonen die Männer entflammt wissen
wollen. -
Jakob Sprenger, Heinrich Institoris: Der Hexenhammer. München 1985 (dtv klassik,
zuerst 1487)
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