Betschwester, alte

Thränen Der Maria Magdalena
zu den Füssen Unsers Erlösers.

1. HJer lig' ich schnödes Weib zu Jesus keuschen Füssen /
Die Haut ist mir schneeweiß / die Sünden sind Blutt-roth;
Mein Leib ist eine Perl / die Seel' ist stinckend Koth;
Jch an Gestalt ein Schwan / ein Rab' in dem Gewissen /
Jch Unzucht-Schlange wil / ich Sünden-Molch wil bissen /
Den Geist in Lust zu sehn / stek' ich den Leib in Noth.
Weg Zauber-Gift der Lust / der Seele Gall' und Tod /
Der Andachts-Zucker sol die Lippen mir besüssen.
Der Brünste Kwäll und Thron / die Augen sollen flissen
Voll Thränen / welche sind der Seele Wein und Brodt.
Mein keuscher Glaubens-Bund sol küssen Fuß und Gott /
Auf geilen Lippen last der Teuffei sich nur küssen.
2. Jm Schönheits-Purper pflägt der Laster-Wurm zu weben;
So mag mein Sinn den glatt - mein Antlitz runtzlicht sein /
Mein eingebisammt Haar wil ich mir äschern ein;
Bey Bisam und Geruch stinckt meistentheils das Leben.
Die Wangen-Rosen sind mit Dörnern rings umbgeben /
Die Lippen Nelcken sind der Wollust Sonnenschein /
Die Keuschheit bricht den Hals auf Schooß und Helffen-Bein /
An Lilgen-Brüste woll'n die Sünden-Wespen kleben.
Mir sol die keusche Scham auf Rosen-Wangen schweben /
Der Lippen Nelcken zihrt der Andacht heisse Pein /
Die kalte Keuschheit soll die Brunst der Schos beschnei'n:
Des Bethens Athem soll der Brüste Bälg aufheben.
3. Mein heißer Leib war vor ein Brand der Unkeuschheiten /
Jtzt ist mein kalter Leib ein Hauß der Andachts-Glutt.
Der Adern warmer Brunn / das heis entbrandte Blutt
Sind itzt ein Flamen-Kwäll der wahren Frömmigkeiten.
Die Salbe die mein Haupt bebalsamte vorzeiten /
War als ein fruchtbar Thau für Venus Myrten-Gutt;
Jtzt heist die Gottesfurcht die theure Narden-Flutt
Auf meines Hauptes Haupt / auf meinen Jesus leiten.
Die Staffel die mich ließ in Wollust Himmel schreiten /
War mir ein Weg / wo sich die Höllenklufft aufthut.
Jtzt steig ich Himmel an durch meinen sanfften Muth;
Mein höchster Himmel ist bey Jesus Fuß' und Seiten.
4. Auf diesen soll den Weg mir meine Busse bahnen /
Die Busse die mir vor ein Dorn in Augen war;
Als mein Erkänntnüs noch nicht Reu und Leid gebahr
Der Sünden / derer ich mich noch kaum kan entwähnen.
So hilff mir Sünderin / O Heiland doch von denen /
Die mich dein Ebenbild verstellen gantz und gar!
Die Seele / welche schwebt in Schiffbruch und Gefahr /
Errett und reisse sie dem Satan aus den Zähnen.
Dein Tempel sey mein Hertz / mein gläubig Säufz- und Sehnen.
Das Feuer / deine Fuß' O Jesus mein Altar /
Zum Opfer bringt die Hand dir Salb' und Balsam dar /
Das Haupt der Haare Gold / die Augen Silber-Thränen.

 - Daniel Casper von Lohenstein, nach: Lyrik des Barock II. Hg. Marian Szyrocki. Reinbek bei Hamburg 1971 (rk 539)

 

Hure Betschwester

 

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