etrachten  Ich steige aufs Pferd und mache allein einen Spazierritt um Medinet herum; ich reite zu den Syringen hoch. Aus einer Höhle kommt ein Fuchs hervor, mit dem Geräusch einer Schlange, die Steine verrückt, er klettert steil hoch, dreht sich um und blickt mich ganz ruhig an; ich nehme meinen Kneifer, und wir betrachten uns gegenseitig. Das gleiche Abenteuer erlebe ich zehn Minuten später beim Abstieg mit einem Schakal.   - (orient)

 Betrachten (2)

"La belle Rosine"

- Antoine Wiertz

 Betrachten (3) Aber wie stellt man es an, etwas zu betrachten und dabei das eigene Ich aus dem Spiel zu lassen? Wem gehören die Augen, die da betrachten? Gewöhnlich meint man, das Ich sei jemand, der aus den eigenen Augen herausschaut wie aus einem Fenster, um die Welt zu betrachten, die sich in ihrer ganzen Weite vor ihm erstreckt. Also gibt es ein Fenster, das sich zur Welt auftut. Draußen ist die Welt. Und drinnen? Auch die Welt, was denn sonst? Mit einer kleinen Anstrengung seiner Konzentration gelingt es Herrn Palomar, die Welt vor ihm heranzuholen und an das Fensterbrett zu postieren. Gut, und was bleibt nun draußen vor dem Fenster? Noch immer die Welt, die sich auf einmal verdoppelt hat in eine betrachtende und eine betrachtete Welt. Und er, auch Ich genannt, also Herr Palomar? Ist nicht auch er ein Stück Welt, das ein anderes Stück Welt betrachtet? Oder vielleicht, da es nun eine Außenwelt gibt und eine Welt innen am Fenster, ist das Ich nichts anderes als eben das Fenster, durch das die Welt die Welt betrachtet?Ja, um sich selbst zu betrachten, braucht die Welt Augen: die Augen (und Augengläser) des Herrn Palomar.

Also wird nun Herr Palomar die Dinge von außen betrachten und nicht von innen. Doch das genügt nicht: Er wird sie auch mit einem Blick betrachten, der von außen kommt und nicht mehr aus seinem Innern. Sofort macht er sich an das Experiment: Nicht er ist es, der nun betrachtet, sondern die Außenwelt, die hinausschaut. Dies festgelegt, blickt er umher in Erwartung einer allgemeinen Verklärung. Von wegen! Weit und breit nur das übliche Alltagsgrau. Er muß alles noch einmal von vorn studieren. Es genügt nicht zu sagen, daß die Außenwelt auf das Außen schaut: Vom betrachteten Ding muß die Linie ausgehen, die es mit dem betrachtenden Ding verbindet.

Aus dem stummen Haufen der Dinge muß etwas kommen: ein Zeichen, ein Anruf, ein Wink. Ein Ding tritt aus der Masse der anderen Dinge hervor, um etwas zu bedeuten... Aber was? Sich selbst. Ein Ding genießt die Betrachtung durch andere Dinge nur, wenn es überzeugt ist, sich selbst und nichts anderes zu bedeuten, inmitten von Dingen, die nur sich selbst bedeuten, nichts anderes.

Dergleichen Gelegenheiten sind freilich selten, doch früher oder später müssen sie sich ergeben. Es genügt zu warten, bis eine jener glücklichen Konstellationen eintritt, in denen die Welt im gleichen Moment betrachten und betrachtet werden will und Herr Palomar sich gerade dazwischen befindet. Oder besser: Herr Palomar muß nicht einmal darauf warten, denn solche Dinge geschehen nur, wenn man sie am wenigsten erwartet.   - (calv)

 Betrachten (4)

"Dame, einen Jüngling betrachtend"

- Paul Wunderlich

Betrachten (5)  Es gab eine Zeit, in der ich viel an die Axolotl dachte. Ich besuchte sie im Aquariuni des Jardin des Plantes und brachte Stunden in ihrer Betrachtung, der Beobachtung ihrer Unbeweglichkeit, ihrer dunklen Bewegungen zu. Jetzt bin ich ein Axolotl.  - Julio Cortazar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main 1998

Betrachten (6)  

 - N.N.

Gedanken Blick Blick
Oberbegriffe  
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

{?}

 

VB
SchauenMeditation
Synonyme