esprechen Bei meinem letzten Besuch nun erklärte sie mir: »Ich will dir zwei Fähigkeiten vermachen, das Brand-Besprechen und das Blut-Besprechen. Du sollst mein Blutenkel werden. Es ist ein einfacher und nützlicher Vorgang, den ich dir mitteilen will, denn du bist mit einer Glückshaube auf die Welt gekommen. Bei der Geburt lag dir ein Teil der Fruchtblase um den Kopf und das ist die Glückshaube und das hat mich erleichtert und im Staunen reimte ich. Und nun will ich dir den einfachen Vorgang nennen, denn wenn du ihn kennst, dann kannst du Brand besprechen und Blut besprechen. Du kannst das dann, du mußt es nicht. Das merke wohl. Wenn also ein Kind oder sonstwer sich schwer verbrennt, dann kannst du, wenn einer dich darum bittet, den Brand abheilen. Du brauchst dafür nur den Vorgang in deinem Inneren und du brauchst daran nicht mal zu glauben, der Vorgang ist mächtiger als eines Menschen Glaube. Der Gläubige zweifelt, der Kluge handelt in Liebe und glaubt hinterher. Oder sagen wir, eine Wunde blutet und blutet und ein Mensch verblutet, so kannst du mit demselben einfachen Vorgang das Blut zum Halten bringen. Falls man dich darum bittet. Es ist allerdings eine Bedingung, die ich von Ohm Friedrich aus Thal übernommen und an die ich mich mein Lebtag gehalten habe, und das ist mir zweimal gut bekommen, mir und zwei anderen Leuten, denn ich war leidenschaftlich. Wenn du die Bedingung nicht freiwillig eingehst, kann ich dir den seelischen Vorgang nicht nennen. Die Bedingung ist, daß du dich zeitlebens aufrichtig bemühest, keinem anderen Menschen jemals den Tod zu geben oder ihm den Tod zu wünschen. Das ist schwerwiegend, nicht wahr?«
Die Ahni schwieg nun. Meine Phantasie fing sogleich an zu arbeiten. Sagte
die Ahni nicht, ihr wäre es gut bekommen, daß sie jene Bedingung vom Fritz aus
Thal annahm? Ahnungsweise ging mir auf, daß die Ahni ein langes Leben gelebt
hatte, von dem ich nichts wußte und nie etwas erfahren würde. In staunender
Freude schaute ich sie an, wie sie dort am Fenster saß, alt und hell im Geist,
streng und heiter. Mit Freude sagte ich zu ihr: »Ahni, wenn dir diese Bedingung
bekommen ist, dir und zwei anderen Leuten, dann soll sie mir auch bekommen!
Ich will mich also aufrichtig bemühen, zeitlebens keinem anderen Menschen jemals
den Tod zu geben oder den Tod zu wünschen, und diese Bedingung gehe ich freiwillig
ein.« Dann nannte mir Wilhelmina den seelischen Vorgang.
Er war in der Tat einfach und er erfüllte mich zum zweitenmal mit Staunen, denn
ich hatte genau das und nichts sonst erwartet. - (
kap
)
Besprechen (2) Es handelt sich
bei der Zauberei um Satanismus.
Eine weitverbreitete Art der Zauberei ist das Besprechen. Man nennt es auch
das Tun, Büßen, Blasen, Pusten, Versöhnen, Sympathie
treiben. Sympathie heißt: auf einen Gegenstand einen unerklärlichen Einfluß
ausüben. In manchen Fällen hilft es gewiß. Aber die Hilfe kommt nicht von Gott,
sondern vom Teufel. Sie ist mit einem tiefen Schaden für die Seele verbunden,
denn sie fordert der Teufel als Lohn. Als ich versuchte, mit einem besprochenen
Mädchen zu beten, vermochte sie nicht den Namen des Herrn auszusprechen. Immer
wieder kam sie nur bis „Je .. . Je . . .". Durch dieses geheimnisvolle
Mittel sind ganze Ställe unter den Einfluß böser Geister gekommen, Mensch und
Vieh wurden oft geplagt. Ja, mancher Landwirt hat seinen Hof verkaufen müssen,
weil er keine Ruhe hatte bei Tag und Nacht. Du mußt in so einem Fall dem Teufel
kündigen. Sag ihm etwa folgendes: Ich entsage dem Teufel und allen seinen Werken
und insbesondere auch den Rechtsansprüchen, die er an mich bekommen hat. - Gibt
es heute noch Zauberei? Evangelische Landeskirchliche Volks- und Schriftenmission
Lieme, 1968. Nach
(oko)
Besprechen (3) Er gehe so weit, selbst das Feuilleton, eine deutsche Spezialität, gegen seine Liebhaber zu verteidigen. Man könne viele Mußestunden damit zubringen, diese üppig blühenden Bleiwüsten zu durchmessen.
»Man wird dort nicht selten auf Zaubersprüche
treffen, die im Gewand von Rezensionen
vorgetragen werden. Es heißt ja, daß Bücher, Filme, Konzerte und Inszenierungen
im Feuilleton besprochen werden, ein Verfahren, das auch bei der traditionellen
Behandlung von Warzen üblich ist. Den Verfassern
merkt man an, daß sie jeden Auswuchs, von dem sie sich gestört fühlen, zum Schrumpfen
oder ganz zum Verschwinden bringen möchten. Ob das Hexenmittel der Besprechung
wirkt, steht jedoch dahin.« - Hans Magnus Enzensberger, Herrn Zetts Betrachtungen
oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern. Berlin 2014
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