Beschuldigung   Ohne Absprache war es entschieden, daß ich - ein Kind noch -, als Großmutter tot war, am selben Tag in ihr leer gewordenes Bett zu ziehen habe, neben den Großvater, damit auf immer sich alle Klarheit darüber verlöre, wer sie umgebracht hat, die alte Frau. Und er, der Alte, trennte sich an diesem Tag von seiner Tochter ... sie verfügte sich nach hinten, in meine frühere Kammer.

Einer von uns beiden war es, soviel steht fest: es war ein dumpf einbrechender Schlag mit dem schmiedeeisernen Schürhaken, der sie schwer in der Hüfte traf, genau zwischen Niere und Rückgrat, ein Schlag, dem sie, nach Wochen gekrümmten Umherschleichens und schwarzen Bluterbrechens, schließlich erlag. Wie lächerlich, daß man ihr Ende auf einige Dörrpflaumen schob, welche sie, aufgeweicht in kaltem Wasser, zu gierig gegessen haben sollte; es war die Farce einer Rechtfertigung, der wir alle zu glauben uns geeinigt hatten, und niemand wagte sie eine feige Erfindung zu nennen.  - Wolfgang Hilbig, Der Schlaf der Gerechten. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten. Frankfurt am Main 2003

Beschuldigung (2)

Beschuldigung (3)
 

Schuld Gerichtsverhandlung

 

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