eschneidung   Für die mittelalterlichen Theologen standen Taufe, Auferstehung und Beschneidung in geheimnisvollem Zusammenhang: die Taufe ist, wie Augustinus sagt, die Beschneidung des Herzens, und am Tage der Taufe »werden wir dem Auferstandenen gleichgestaltet, da wir durch die Taufe im Geist gestorben und Mitgenossen an der Auferstehung geworden sind«, wie Cyrill von Alexandrien bemerkt. Deshalb waren die Taufbecken vorzugsweise achteckig.   - (zahl)

 Beschneidung (2)  Die Ägypter (so scheint uns heute gewiß), welche das Werkzeug der Zeugung verehrten und in ihren Umzügen prunkvoll einhertrugen, dachten sich aus, der Isis und dem Osiris, durch welche beide alles auf Erden sich erzeugte, müsse man ein Stückchen jenes Gliedes opfern, kraft dessen nach dem Willen beider Götter das Menschengeschlecht fortdauern sollte. Die alten morgenländischen Bräuche sind von unseren erstaunlich verschieden; indessen braucht uns nichts zu befremden, wenn wir ein wenig belesen sind. Ein Pariser ist ganz überrascht, wenn er hört, daß die Hottentotten ihrer männlichen Nachkommenschaft eine Hode wegschneiden. Die Hottentotten sind womöglich erstaunt, daß die Pariser zwei behalten.  - (vol)

Beschneidung (3)  a) Prozedur zu sanitären Zwecken, bei den Naturvölkern zwar schwer denkbar; doch muss daran erinnert werden, dass die Völkerkunde bei vielen primitiven Stämmen operative Eingriffe am männlichen Glied zwecks Erleichterung des Geschlechtsverkehrs festgestellt hat.

b) Selbstverstümmelung oder Überbleibsel der Entmannung (Kastration), wie solche im Zusammenhang mit gewissen religiösen Vorstellungen hei vielen Völkern vorkommen.

c) Akt der Stigmatisierung , d.h. der Zueignung des Körpers an einen Dämon oder Gott zur Erlangung seines Schutzes.

d) Stammes- und Kultzeichen, also eine Art Tätowierung (so Stade und Gunkel).

e) Mutprobe an den Knaben bzw. jungen Männern, wie sie bei Naturvölkern vor der Aufnahme des Betreffenden als gleichberechtigtes Mitglied in den Stammesverband üblich sind.

f) Weihe des Zeugungsgliedes, Ersatz und Zeichen der Hingabe des Menschen an die Gottheit, wie noch später bei den Phöniziern. Diese Auffassung hat bisher die breiteste Annahme gefunden. Damit hängt als Folge zusammen, dass man durch diese heilige Zeremonie. als vollberechtigtes Glied in die Sakralgemeinschaft und eben damit auch in die Volks- und Stammesgemeinschaft aufgenommen wird. Das Blut stellt nach einer weitverbreiteten Anschauung des semitischen Altertums eine Vereinigung mit der Gottheit und dem Stamm, der diese verehrt, dar.

g) Die psychoanalytische Wissenschaft erblickt in der weit verbreiteten B. eine Inzestprophylaxe, die zur Hemmung der in der Pubertätszeit auftretenden Inzestgelüste bestimmt sei und mit den gleichfalls für das 13. Jahr festgestellten Kastrationen und anderen Verstümmelungen auf einer Stufe stehe bzw. eine Milderung dieser grausamen Akte darstelle. Dieser Auffassung kamen bereits Philo und Maimonides sehr nahe, die die B. als Hemmung der Sexuallust begründeten. - Lexikon des jüdischen Rechts

Beschneidung (4)  Thead hatte in den späten fünfziger Jahren landesweit Berühmtheit erlangt, als er einen jüdischen Mann vertrat, der bereit war, seine Eltern zu verklagen, weil sie ihn als Baby hatten beschneiden lassen. Das war der schwerste Teil gewesen, meinte Thead in unserem Seminar, einen jungen Juden zu finden, der bereit war, bei dieser radikalen Klage mitzumachen. Theads Fall war beispielhaft. Aus medizinischer Sicht ist eine Beschneidung außer bei etwa vier Prozent der tatsächlich beschnittenen männlichen Kinder nicht erforderlich, und Thead hatte mehr als zwei Dutzend Ärzte antreten lassen, die diese Tatsache vor Gericht bezeugten. Rechtlich gesehen befanden sich die Eltern des jungen Mannes in einer schlechten Lage. Als Präzedenzfall hattei} sie zwar die «Tradition» auf ihrer Seite, aber eben nicht mehri Auch sie luden Ärzte vor, doch die besten Argumente, die sid aufbieten konnten, beschränkten sich auf «Hygiene». Die Tat4 sache, daß ein beschnittener Penis leichter sauberzuhalten ist als ein unbeschnittener, ist eine klägliche Ausrede für die Verstüm-. melung des Körpers eines Babys und für die Verletzung seiner Menschenrechte. Theads weiterem Argument, das heute erfolgreicher gewesen wäre, nachdem das Land als Ganzes in sexueller Hinsicht liberaler geworden ist, maßen die Geschworenen in den; fünfziger Jahren nur wenig Gewicht bei. Und diese Argumentation (wenigstens meiner Meinung nach) besagt, daß die Eichel eines beschnittenen Penis ledrig wird. Wegen des Verlustes an Sensibilität verliert der Mann beim Sex irgendwas zwischen zwanzig und dreißig Prozent seines Lustempfindens, wenn die Vorhaut entfernt wird.

Thead verlor den Prozeß, der für den Fall seines Sieges mit Sicherheit landesweite Konsequenzen nach sich gezogen hätte, und er legte Revision beim Obersten Gerichtshof von Florida ein. Auch dort verlor er mit einer nicht einstimmigen Entscheidung von vier zu fünf. Das U. S. Supreme Court lehnte eine Wiederaufnahme des Falles ab, und das war's dann. Ich vermute, irgendwann wird ein anderer Anwalt die Sache wieder aufgreifen, und die Verstümmelung männlicher Babies wird in diesem Land endlich ein Ende finden; aber Thead hatte den Fehler gemacht, für sein Anliegen einen jüdischen Mann statt eines WASP zu benutzen. Gleichzeitig die religiöse Tradition zu bezwingen war zuviel, und er hätte statt dessen im Namen eines protestantischen Mannes klagen um so den religiösen Aspekt völlig unter den Tisch fallen zu lassen.  - Charles Willeford, Miami Love. Reinbek bei Hamburg 1993 (rororothriller 3107, zuerst 1988)

Vorschriften, religiöse Vorhaut Ritual

 

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