Beschießen   Da, auf einmal, hört man einen Schrei des Entsetzens der Leute, die oben auf dem Turm stehen: Da unten sehen sie Bauern, die mit Eimern kommen . . . Nicht Steine schleppen sie herbei, sondern Eimer, Handkarren, Schubkarren und Bottiche. Irgendwelches Zeugs schleppen sie an, das man nicht erkennen kann. Aber dann füllen sie die Wurfschalen der Katapulte voll Scheiße. »Wollen die uns etwa mit Scheiße beschmeißen?! Die schmeißen mit Scheiße! Flatsch! In allen Ecken der Burg regnet es Scheiße!«

Katapulte schleudern riesige Kackhaufen über die Mauern, Wurf geräte verspritzen Fakalien, als wären es bengalische Feuer!

Und seit diesem Tag brachte jeder, ob groß oder klein, Kind oder Erwachsener, das ganze Volk, von früh bis spät sein Häufchen zu den Wurfgeräten, damit sie es in die Burg hinüberschießen konnten. Es war eine staatsbürgerliche Pflicht. Und diejenigen, die Familien, die am meisten geschissen hatten, wurden hoch geehrt und mit Beifall bedacht:

»Gute Genossen und Aktivisten!

Ihr seid wahrhafte Patrioten!«  Die Waldarbeiter, die aus ihren Bergen kamen, um sich das Schauspiel anzusehn, wurden nicht durchgelassen: »Was wollt ihr hier?«   »Zuschaun, wie die Päpstlichen mit Scheiße bewerten werden!« »Hier darf nur durch, wer Scheiße mitbringt!« Sogar aus Ferrara kamen sie an ... Denn inzwischen man Frieden geschlossen. »Braucht ihr Hilfe?« »Ja, Scheiße!« Und auch die von Modena: »Ihr könnt uns ein paar Fuder Scheiße leihen!« Von frühmorgens an sind die Straßen, die aus den umliegenden Orten nach Bologna führen, voller Wagen, auf denen große Kiepen stehen.

Alles sammelt sich rund ums Kastell: Mit Bottichen und allen Arten von Karren bis zum Rand gefüllt, und jeder wartete, bis er drankam.

Als die Leute den Spaß an der Sache zu verlieren begannen, hatte jemand die Idee, einen Preis auszusetzen für den, der den wirkungsvollsten Scheißewerfer erfand. Jetzt konnte sich die Begabung des einfachen Volkes entfalten: Jeder machte Erfindungen! Einige benützten die Gedärme von Rindern und Ochsen, füllten sie mit verflüssigter Scheiße und machten große Würste daraus. Die Därme wurden mit einer Schnur abgebunden und dann hielten sie sich aneinander fest, zu viert, und schleuderten das Geschoß im Kreis herum, wie beim Hammerwerfen. Herum und Herum, die Schnur locker lassen . . . und ab, ab das Ding ... bis sie es plötzlich lossausen ließen: Gib Leine!

Wenn die gefüllten Därme hoch oben über dem Kastell standen, zogen sie die Leine fest an: Kladderadatsch! Die Därme platzten, und die ganze Schweinerei regnete herab!

Großer Applaus: »Bravissimo!«

Tag und Nacht taten sie nichts anderes, als mit dem stinkenden Zeugs zu schmeißen, das aufplatzte und herabregnete.

Andere hatten Wippen errichtet aus großen Bohlen, die über ein dickes Faß gelegt waren, wie eine Schaukel. Auf die eine Seite der Achse, die nach oben ragte, legten sie riesige Steine . . . Prumm! Ploff! Flatatsch!

Die Fenster eingeschlagen und hinterher flogen Scheißhaufen mitten zwischen die Schwarzkittel.

In der Burg gab es auch einen Mönch, der schreiben konnte und an einer Chronik arbeitete. Es heißt bei ihm: »Hier ist die Hölle los, und es scheint so, als hätten sich Jesus Christus in Person, der Herrgott selber und mit ihnen sämtliche Heiligen und alle Engel im Himmel zusammengetan, um uns zuzuscheißen!«

Die oben auf der Burg besaßen alles ... Sie hatten zu essen und zu trinken, aber sie kriegten keinen Schluck Wein runter. - Alles war voller Scheiße. Sie machten sich was zu essen: Es schmeckte nach Klo! Sie legten sich nieder, um miteinander zu schlafen: Es war, als würde man eine Kloake umarmen! Dann eines Tages kam ein großer Wind auf, der im Burghof wie ein Ventilator wirkte, und der Abfall und die Scheiße wirbelten in der Luft herum. Ein Unglück! Die Nonnen fangen zu heulen an... Beten den Rosenkranz und bei jedem »ora pro nobis« müssen sie kotzen.

Wenn die Bauern auf den Dörfern mit ihren Kindern nicht zurechtkamen, sagten sie zu ihnen: »Wenn Du schön brav bist, darfst du Sonntag mit in die Stadt und zuschauen, wie die Päpstlichen mit Scheiße beworfen werden.« Und jetzt muß man sich einmal vorstellen, daß die in der Burg damit gerechnet hatten, sich zwei Jahre lang verteidigen zu können. Nach nur zwei Wochen hat der Burghauptmann auf Befehl des päpstlichen Legaten bereits die weiße Fahne gehißt. Wie man so sagt: Weiße Fahne. Und darum gebeten, zu verhandeln.

»Wir kommen raus, aber nur wenn die Abgesandten von Florenz herkommen als unsere Bürgen. Wenn sie herkommen, um unseren Abmarsch zu schützen, dann verlassen wir die Stadt.« »Einverstanden.«

Sie holen die aus Florenz, und die kommen mit ihrer Fahne . . . Und dann verhandeln sie:

»Ihr gebt Euer Wort, daß Eure Leute nicht mehr mit Scheiße schmeißen. Legt den Eid ab.« »Wir schwören es.«

»Wir begleiten sie bis nach Pisa, und Ihr verhaltet Euch ruhig und hört auf, sie zu beleidigen. Einverstanden? Schwört Ihr's? »Schon geschworen!«

So ziehen sie ab: Erst die Bretonen mit ihren Standarten, ein bißchen mit Scheiße besudelt.

Dann erscheinen die Kapläne, dann die Nonnen, dann die Mönche. Schließlich kommt der Vize-Legat heraus, der Kardinal war, zusammen mit sämtlichen anderen Groß-Prälaten. Um sich zu schützen, hatten sie sich unter einem großen Baldachin versteckt. Und da kommt der Groß-Kardinal, der Legat persönlich, der zu seinem Schutz einen großen weißen Schirm aufgespannt hatte. Aber auch das Weiß war nur sozusagen. Er hielt in den Händen das Aller-heiligste, die geweihte Hostie, als wollte er sagen: »Ich will mal sehen, ob sie die Unverschämtheit aufbringen, sogar Christus mit Scheiße zu bewerfen.«

Draußen der Platz war total leer und das Volk hatte sich auf die Balkone zurückgezogen, auf die Terrassen und Dächer.

Überall oben drauf waren Menschen. Plötzlich hat eine Stimme gerufen: »Wenn Christus es fertig bringt, so viele Arschlöcher um sich herum auszuhalten, wird er auch unsere Scheiße ertragen!« Flumm! Ein Wolkenbruch aus Scheiße! Als war's der Weltuntergang!

Der Botschafter von Florenz breitet die Arme aus und schreit: »Das war nicht vorgesehen in unserem Vertrag.« Aber er konnte nicht einmal zu Ende reden, Vertrag . . . Nur: Ver. . . Weil da kam schon eine Ladung Scheiße geflogen und verstopfte ihm das Maul. Und sofort haben sämtliche Päpstlichen sich davongemacht, sind gesprungen wie die Hasen, und haben sich in die Büsche geschlagen, bis sie oben in den Bergen waren. Und dann haben sie einen Umweg um die Dörfer gemacht, aus Angst, noch ein paar niedere Weihen zu empfangen.

Schließlich kamen sie in die Toskana hinab. Zum Schluß erreichen sie Pisa. Aber sie gehen nicht rein in die Stadt, denn die Pisaner, das ist bekannt, sind Spezialisten im Scheißewerfen ywie kein anderer. Also marschieren sie im Kreis, Runde um Runde, bis sie den Hafen erreichen, wo sie das Schiff der Provenzalen vorfinden, das darauf wartet, sie an Bord zu nehmen. Sie finden frische Truppen vor, gut bewaffnet, die sie in Schutz nehmen. »Ah, endlich!«

Sie waschen sich und baden im Meer. »Welch ein Genuß!« Wie ihre Kleider trocken sind, besteigen sie das Schiff, das nur auf den Wind wartet, der sie nach Avignon führen wird.

Sie lichten die Anker. Der Wind steht günstig.

Sie legen ab und gleiten aufs offene Meer hinaus. Und wie das so üblich ist, wenn ein großes Schiff in See sticht, kommen sämtliche Schiffe zusammen, die am Ufer gelegen haben, und begleiten es hinaus, mit ihren Wimpeln und Fahnen auf allen Masten, Sämtliche Seeleute waren in die Masten geklettert und jubelten ihnen zu: »He! Ihr da! Gute Reise! Gute Fahrt!« Alle Segel gehißt, so schwamm das provenzalische Schiff in unsrer Mitte dahin!

Plötzlich ein dumpfer Plumps und ein Aufplatschen: Flatsch!

Von allen Mastbäumen kommt die Scheiße auf das Schiff geflogen!

»Nein! Das ist wirklich zuviel!«

Die Chroniken berichten, daß der päpstliche Legat auf der gesamten Reise keinen Bissen mehr essen konnte. Nicht einmal eine Weintraube habe er probiert während der Überfahrt.

An Land angekommen, wäre es ihnen schließlich gelungen, Bissen für Bissen, ein Stückchen Obst, ein bißchen Milch-brei, eine Kleinigkeit, ein Wachtelei. So haben sie angefangen, ihn wieder zu ernähren.

Ein paar Tage später hatte er ein gewisses Bedürfnis. Hat sich auf sein Nachtgeschirr gehockt und ein kleines Häufchen geschissen ... Er hat es angeschaut, hat es liegen sehen und ist zur Erde gefallen, tot!   - Dario Fo, Obszöne Fabeln. Mistero Buffo. Berlin 1984

 

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