erechnung  Niemand ist in seinen Berechnungen so genau wie die Wilden, die Bauern und die Provinzler; wenn sie vom Gedanken zur Wirklichkeit kommen, ist daher alles schon fertig. - Honoré de Balzac, Das Antiquitätenkabinett, nach (str)

Berechnung (2)  „Haben Sie sich schon einmal die Mühe gemacht, Ihre Ideen auf das anzuwenden, was man gemeinhin Liebe nennt?"

„Senora", antwortete Velàsquez, „mein System umfaßt die ganze Natur, und daher müssen auch alle Gefühle inbegriffen sein, die sie dem menschlichen Herzen eingegeben hat. Ich war gezwungen, sie alle zu ergründen und zu definieren, und das gelang mir besonders hinsichtlich der Liebe, denn ich habe herausgefunden, daß es möglich ist, sie mit den Begriffen der Algebra zu bezeichnen - Sie wissen, daß für Fragen, die mit der Algebra zu fassen sind, Lösungen gefunden werden können, die nichts zu wünschen lassen.

Nun wohl, setzen wir die Liebe als positiven Wert, als Wert mit dem Pluszeichen; Haß ist das Gegenteil von Liebe und erhält das Minuszeichen; Gleichgültigkeit ist eine Nicht-Empfindung und wäre gleich Null zu setzen.

Wenn ich die Liebe mit sich selbst multipliziere, sei es, daß ich die Liebe liebe, oder sei es, daß ich es liebe, die Liebe zu lieben - stets erhalte ich positive Werte, nämlich: plus mal plus ergibt stets plus.

Wenn ich aber den Haß hasse, kehre ich zurück zum Gefühl der Liebe oder zu den positiven Größen; entsprechend ergibt minus mal minus stets plus.

Im Gegensatz dazu kehre ich, wenn ich den Haß des Hasses hasse, zu Gefühlen zurück, die der Liebe entgegengesetzt sind, das beißt zu den negativen Werten; dementsprechend lautet die Regel, daß die dritte Potenz von minus stets minus ist.

Wiederum sind die Produkte von Liebe und Haß oder Haß mal Liebe immer negativ, ganz gleich den Produkten von plus mal minus oder minus mal plus. In der Tat, ob ich nun die Liebe hasse oder den Haß liebe - stets handelt es sich um Empfindungen, die der Liebe entgegengesetzt sind. Haben Sie, schöne Laura, etwas gegen meine Beweisführung einzuwenden?

„Nicht ini mindesten", antwortete die Jüdin. „Ich bin vielmehr überzeugt, daß es keine Frau gibt, die sich solchen Argumenten nicht ergäbe."

„Das läge freilich nicht in meiner Absicht", meinte Velàsquez, „denn wenn sie sich so rasch ergäbe, brächte sie sich um die Fortsetzung meiner Korollarien oder Folgerungen aus meinen Grundsätzen. Ich fahre also in meiner Beweisführung fort. Daraus, daß Liebe und Haß sich absolut wie positive und negative Werte verhalten, ergibt sich, daß ich statt 'Haß' auch 'minus Liebe' schreiben kann, was man nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln darf, deren Wesen es ist, gleich Null zu sein.

Beachten Sie nun das Verhalten der Liebenden. Sie lieben sich, sie hassen sich, dann verwünschen sie den Haß, den sie empfunden haben, sie lieben sich mehr als zuvor, darauf verwandelt ein negativer Faktor alle diese Gefühle in Haß. So ist hier nicht zu verkennen, wie die Potenzen abwechselnd plus und minus als Vorzeichen erhalten. Schließlich hören Sie, daß der Liebende seine Geliebte erdolcht habe; Sie sind in großer Verlegenheit, wenn Sie entscheiden sollen, ob das ein Ergebnis der Liebe oder des Hasses ist. Genauso in der Algebra: der Wert einer Wurzel aus x kann positiv oder negativ sein, wenn der Wurzelexponent eine gerade Zahl ist.

Die Richtigkeit des Gesagten zeigt sich auch darin, daß, wie Sie beobachten können, die Liebe oft mit einer Art gegenseitiger Scheu beginnt, die man beinahe für Abneigung halten könnte, also mit einem kleinen negativen Wert, den wir mit minus b bezeichnen wollen. Die Abneigung führt zu einem Zwist, für den wie minus c setzen; das Produkt aus beiden ist dann plus bc, das heißt ein positiver Wert, ein Gefühl der Liebe."

Hier unterbrach die angebliche Laura Uceda die Ausführungen Velàsquez, indem sie sagte: „Herr Herzog, wenn ich Sie recht verstanden habe, könnte die Liebe nicht besser bezeichnet werden als mit der Entwicklung der Potenzen von x minus a, wobei man annimmt, daß a ein viel kleinerer Wert ist als x."

„Liebenswerte Laura", erwiderte Velàsquez, „Sie haben in meinen Gedanken gelesen. Ja, Sie bezauberndes Geschöpf, die Formel des Binoms, die der Caballero Don Newton gefunden hat, muß uns - wie in allen anderen Berechnungen - auch beim Studium des menschlichen Herzens den Weg weisen." - (sar) 

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