equemlichkeit
Weshalb sagen zu allermeist die Menschen im alltäglichen Leben die Wahrheit?
— Gewiß nicht, weil ein Gott das Lügen verboten hat. Sondern erstens: weil es
bequemer ist; denn die Lüge erfordert Erfindung, Verstellung und Gedächtnis.
(Weshalb Swift sagt: wer eine Lüge berichtet, merkt selten die schwere
Last, die er übernimmt; er muß nämlich, um eine Lüge zu behaupten, zwanzig andere
erfinden.) Sodann: weil es in schlichten Verhältnissen vorteilhaft ist, direkt
zu sagen: ich will dies, ich habe dies getan, und dergleichen; also weil der
Weg des Zwangs und der Autorität sicherer ist als der der List. — Ist aber einmal
ein Kind in verwickelten häuslichen Verhältnissen aufgezogen worden, so handhabt
es ebenso natürlich die Lüge und sagt unwillkürlich immer das, was seinem Interesse
entspricht; ein Sinn für Wahrheit, ein Widerwille gegen die Lüge
an sich ist ihm ganz fremd und unzugänglich, und so lügt es in aller Unschuld. -
Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches. Stuttgart 1964 (zuerst
1878)
Bequemlichkeit (2) Diogenes
wagte es einst, einen Tintenfisch roh zu essen, weil er die mühselige Zubereitung
von Fleisch durch das Herdfeuer loswerden wollte. Viele Menschen umstanden ihn,
als er - den Kopf mit dem Mantel verhüllt - das Fleisch in den Mund steckte
"Für euch traue ich mich und nehme dieses Wagnis auf mich'", rief
er. Beim Zeus, ein schönes Wagnis! - Plutarch,
nach
(lte)
Bequemlichkeit (3) Whisky
war der Meinung, daß die Untreue der Frau nicht das Eigentumsrecht vermindert,
das wir an sie haben. Die Frau betrügt uns nicht etwa, weil die Arme unseres
Freundes sie fester umschließen als unsere oder weil sein Schnurrbart
ihre Nasenlöcher verfänglicher kitzelt.
Sie betrügt uns aus Freude am Betrügen, weil es bequemer ist, sich zu gewähren,
als sich zu verweigern. - Pitigrilli, Whisky und Soda. In: P., Luxusweibchen. Reinbek bei Hamburg 1988
(rororo 12201, zuerst 1922)
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