eischläfer Derjenige
von uns, der als erster zu Bett geht, ist der Unschuldige, denn er kann einschlafen.
Geht der Alte zuerst, schläft er schon, wenn ich komme, läßt mich das langgezogene
und gepreßte Stöhnen und Schnarchen
aus seiner Brust nicht einschlafen, nicht bevor ich endlich, nach Stunden vielleicht,
diesen unregelmäßigen Rhythmus verstehe und in den Pausen, in denen er gestorben
scheint, so langanhaltend und gelähmt wirken diese Pausen, mit dem eigenen Stöhnen
und Schnarchen einsetzen kann, so daß unsere beiden Stimmen sich lauernd zu
umkreisen beginnen. Sie suchen sich gegenseitig zu ermatten, in einem dauernden
Frage-und-Antwort-Spiel, das sich plötzlich aus seiner Verworrenheit befreit
und ein Spiel wird, in dem wir in abgestimmten Intervallen immer wieder einander
beschuldigen.- Wer? Weer ... so heißt die
ewig wiederholte Frage, die sich in dem einen dieser Brusttöne verbirgt; und:
Du! Duu ... heißt die sich ebenso unausweichlich anschließende Erwiderung.
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Wolfgang Hilbig, Der Schlaf der Gerechten. In: W.H., Der Schlaf der Gerechten.
Frankfurt am Main 2003
Beischläfer (2)
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