Bein stellen   Störtebeker hatte sich ausbedungen, daß diejenigen seiner Raubgesellen frei sein sollten, an denen er — ohne Kopf — vorbeilaufen werde. Und tatsächlich lief er und hätte wohl die ganze Reihe geschafft, wenn ihm nicht der Henker beim fünften Mann ein Bein gestellt. - Daß dieselbe humane Anstrengung dem Räuberhauptmann Dietz von Schauenburg, geköpft zu München 1337, zugeschrieben wird, tut der Beachtlichkeit keinen Abbruch.   - (bord)

Bein stellen (2)  Jetzt geht der Alte neben mir, er stellt mir ein Bein. Das gefällt mir nicht, daß er einem der hinkt ein Bein stellt. Warum stellst du mir ein Bein? Er hustete, er nieste, er spuckte auf den Boden, er hustete. Er kratzte sich unter dem Hemd, er trat nach den Steinen. Er stellte mir noch­mals ein Bein nein, sagte ich, das darfst du nicht machen. Wir waren allein er und ich. Autos und Fahrräder hätten über diese Straße fahren können und hätten dabei viel Staub aufgewirbelt wenn es Staub gäbe, aber sie fuhren nicht über die Straße und wirbelten nichts auf. Es hätte regnen können und dann wäre der Staub naß geworden, die Tropfen wären im Staub versickert und der wäre zu Schlamm geworden. Meine Schuhe und die des alten Man­nes wären im Schlamm eingesunken und am Ende wären wir auch in eine Pfütze getreten. Dann hätte ich gesagt Sacramento jetzt habe ich Schlamm im Schuh. Es regnete aber nicht und es schickte sich auch nicht an zu regnen aus den Wolken zu schließen die fehlten weil der Himmel heiter und ruhig war.

Er folgte mir hartnäckig. Er ging auf meinem Schatten, er trat ihn mit Füßen. Ich bin fähig dich zu töten, sagte ich, du trittst meinen Schatten mit Füßen warum zertrittst du ihn? Was glaubst du denn, mir Angst einzujagen? Paß auf was du machst, Unbekannter.

Ich hätte mich gern plötzlich umgekehrt und ihn mit einem Faustschlag niedergestreckt und dann einen Stein aus dem Rinnstein gelöst und ihm den Schädel zertrüm­mert. Es gab keine Steine im Rinnstein. Dann hätte ich eine Latte aus dem Zaun reißen können. Es gab keine Latten und nicht einmal einen Zaun am Rand der Straße. Wir gingen im Gras einer Wiese und nicht auf einer stau­bigen Straße. Der Rundfunk sendete Musicorama, ein Potpourri von Schlagern. Sie haben wenig Phantasie, die Leute vom Rundfunk, ihr habt wenig Phantasie.

Was will dieser Alte von mir will er bestimmt etwas wenn er mir immer folgt. Jetzt stellt er mir nochmals ein Bein und ich falle mit den Händen nach vorn. Das ist das dritte Mal, daß er mir diesen Streich spielt, paß auf, ich verliere langsam die Geduld. Zum Glück gibt es die Geduld, sagte ich, zum Glück für dich das heißt für ihn, den Alten. Jetzt war ich wirklich dabei sie zu verlieren. Er lachte, er stieß merkwürdige Töne aus, er machte sich lustig über mich. Die Luft ist schwer, es gibt nicht einmal mehr Sonne, sie ist verschwunden, sie hat recht. Ich bin in der Falle. In meinem Rücken höre ich ein Geräusch, vielleicht nimmt er einen Stein aus dem Rinnstein oder eine Latte aus dem Zaun um mich hinterrücks zu treffen. Vielleicht haßt er mich aber wie kann er mich hassen wenn er mich nicht kennt? Wir sehen uns zum ersten Mal und er hat noch kein Wort gesagt. Um sich zu hassen, muß man zuerst Freundschaft schließen. Aus der Freundschaft entsteht dann

DER TÖDLICHE HASS.

- Luigi Malerba, Salto mortale. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1968)

 

Bein Fällen

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme