Beglücken ›Denk an den Buckligen, über den wir gesprochen haben. Er lebt in dunkler, wohltätiger Unwissenheit, weil er glaubt, daß sein Buckel im Werk der Schöpfung eine kosmische Rolle erfüllt. Wenn du ihm erklärst, daß er lediglich das Resultat eines molekularen Unfalls ist, so wirst du ihn in Verzweiflung stürzen. Also müßtest du den Buckel sogleich begradigen .. .‹

›Ja, natürlich!« rief Klapauzius aus.

›Auch das haben wir gemacht. Mein Großvater hat seinerzeit dreihundert Buckel auf einmal begradigt. Und wie sehr hat er es später bereut!‹

›Weshalb?‹ fragte ich unwillkürlich.

›Weshalb? Einhundertzwölf von diesen Unglücklichen wurden sogleich in Öl gesotten, denn man sah ihre plötzliche und wundersame Heilung als sicheres Indiz dafür an, daß sie ihre Seele dem Teufel verkauft hatten; dreißig wurden, da nicht länger untauglich, sofort zum Militär eingezogen und fielen in verschiedenen Schlachten unter verschiedenen Fahnen; siebzehn soffen sich vor Freude über ihre Genesung augenblicklich zu Tode, und der Rest - mein wohlmeinender Großvater hatte ihnen als Draufgabe außerordentliche Schönheit verliehen — welkte durch übermäßige Anstrengung bei erotischen Aktivitäten rasch dahin; nachdem sie diese Vergnügungen so lange Zeit hatten entbehren müssen, stürzten sie sich jetzt in jede Art von Ausschweifungen, leider derart heftig und zügellos, daß sie innerhalb von zwei Jahren alle unter dem grünen Rasen lagen. Es gab da eine Ausnahme ... aber die ist kaum der Rede wert.«

›Erzähl zu Ende, wenn du schon einmal angefangen hast!‹ schrie Klapauzius, offensichtlich aufs äußerste erregt.

›Also gut, wenn du unbedingt willst. Ganze zwei waren übriggeblieben. Der erste erschien bei meinem Großvater und bat ihn auf Knien, er möge ihm seinen Buckel zurückgeben. Als Krüppel hatte er nicht schlecht von Almosen gelebt, als Gesunder aber mußte er arbeiten, woran er nicht gewöhnt war. Am meisten störte ihn, daß er jedesmal mit der Stirn gegen den Türbalken stieß, wenn er irgendwo eintreten wollte .. .‹

›Und der zweite?‹ fragte Klapauzius.

›Der zweite war ein Prinz, der wegen seines Gebrechens von der Thronfolge ausgeschlossen war; nach seiner plötzlichen Heilung ließ ihn seine Stiefmutter, die die Rechte ihres leiblichen Sohnes bedroht sah, vergiften.‹   - Stanislaw Lem, Altruizin. In: Phantastische Welten, Hg. Franz Rottensteiner. Frankfurt am Main 1984 (Phantastische Bibliothek 137)

 

Glück

 

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