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Stellen
Sie sich vor, daß Baron von H** sich mit Hilfe seines Goldes Einlaß in die alten
Gefängnisse der Hauptstädte Persiens, Indochinas und Tibets verschaffte und
es ihm mehrere Male von den Gouverneuren gestattet wurde, anstelle der orientalischen
Scharfrichter selbst die schreckliche Tätigkeit
des Richtenden auszuüben. Sie kennen die Geschichte der vierzig Pfund ausgestochener
Augen, die Schah Nasser-Eddin auf zwei goldenen Schalen dargebracht wurden an
dem Tag, da er seinen feierlichen Einzug in eine aufständische Stadt hielt?
Der Baron, in Landestracht gekleidet, war einer der glühendsten Eiferer dieser
Greueltat. Die Hinrichtung der beiden Anführer des Aufruhrs war von noch größerer
Grausamkeit. Es wurden ihnen zunächst sämtliche Zähne mit Zangen herausgebrochen,
dann wurden ihnen diese Zähne in die eigens zu diesem Zweck kahlrasierten Schädel
gerammt — derart, daß sie die persischen Initialen des ruhmreichen Namens von
Schah Feth-Alis Nachfolger bildeten. - Villiers
de L'Isle-Adam, Der Tischgast der letzten Feste. In: V. I.-A., Der Tischgast der
letzten Feste.
Stuttgart 1983.
Die Bibliothek von Babel Bd. 27, Hg. Jorge Luis Borges
Baron (2) Lussinge, der damals sechs- oder siebenunddreißig Jahre alt war, besaß das Herz und den Verstand eines Fünfzigjährigen. Er nahm sich nur Ereignisse wirklich zu Herzen, die ihn persönlich angingen; dann aber geriet er völlig außer sich wie im Augenblick seiner Heirat. Davon abgesehen, war jede Gemütsbewegung Zielscheibe seines Hohns. Lussinge hatte nur einen Glauben: die Achtung vor hoher Abkunft. Er stammte in der Tat von einer Familie aus dem Bugey ab, die dort seit 1500 in hohem Ansehen stand. Sie ist den Herzögen von Savoyen nach Turin gefolgt, als sie Könige von Sardinien wurden. Lussinge war in Turin in der gleichen Akademie wie Alfieri erzogen worden. Dort hatte er jene tiefe piemontesische Bosheit angenommen, die in der Welt ohnegleichen ist, die aber im Grunde nichts anderes ist als Mißtrauen gegen das Schicksal und die Menschen. Manche Züge davon finde ich in Rom wieder; aber obendrein gibt es hier Leidenschaften und, da der Wirkungskreis weiter ist, weniger spießige Kleinlichkeit.
Desungeachtet habe ich Lussinge gern gehabt, bis er reich, dann geizig, feige und schließlich in seinen Reden ausfällig und im Januar 1830 beinahe unanständig wurde.
Er hatte eine geizige und vor allem verrückte Mutter, die imstande war, ihr
ganzes Vermögen den Pfaffen zu vermachen. Er dachte an eine Heirat; bei dieser
Gelegenheit mußte seine Mutter sich durch Vertragsurkunden binden, die sie daran
hinderten, ihr Hab und Gut ihrem Beichtvater zu schenken. Die Umtriebe und Machenschaften,
während er auf der Suche nach einer Frau war, machten uns viel Spaß. Lussinge
war drauf und dran, um ein reizendes Mädchen anzuhalten, das ihn glücklich gemacht
und unsere Freundschaft für alle Zeit besiegelt hätte. Ich meine die Tochter
des Generals Gilly (die spätere Madame Doin, die Frau eines Advokaten, glaube
ich). Aber der General war nach 1815 zum Tode verurteilt worden, und das hatte
die adlige Baronin, Lussinges Mutter, abgeschreckt. Nur durch einen großen Zufall
kam es nicht zur Heirat mit einem gefallsüchtigen Frauenzimmer, der späteren
Madame Varambon. Schließlich heiratete er eine dumme Pute, ein großes, leidlich
hübsches Ding - wenn sie nur eine Nase gehabt hätte. - (
ele
)
Baron (3)
Baron (4)
Baron (5)
Baron (6) In der Nähe der Toilettentür stand eine mit bronzegrünem Samt bezogene Bank. Aimee setzte sich darauf und machte eine Pause. Ihr Gehirn mußte einen Moment zur Ruhe kommen, um die Informationen, die sie pausenlos gesammelt hatte, zu speichern und zu ordnen.
In dem Moment jedoch kam der Baron Jules aus der Toilette, mit seinem Schwanz in der Hand. Er ging über den Gang und pinkelte unter einer der Fabrikszenen an die Wand.
»Verdammt! Das tut vielleicht gut!« stöhnte der Baron laut vor sich hin.
Er hatte Aimée nicht gesehen, die reglos auf der Bank sitzen blieb. Man hörte, wie der Urin mit festem Strahl an die Tapete spritzte. Eine dunkle Lache bildete sich auf dem bronzegrünen Teppichboden zwischen den gestiefelten Beinen des Eindringlings. Der Mann war groß und leicht korpulent, er trug Reithosen und einen zu großen ziegelroten Rollkragenpullover, der an mehreren Stellen geflickt war. Er hatte einen großen rosafarbenen Kopf mit einer dicken Nase, hellgraue Augen und wallendes platinblondes Haar, das in Grau überging. Er mußte die Fünfzig überschritten haben. Er drehte den Kopf herum und entdeckte Aimée.
»Teufel auch! Eine Dame«, bemerkte er.
Er drehte sich zu ihr um, während er gleichzeitig seinen Hosenschlitz zumachte.
»Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Baron Jules«, sagte er. »Seien Sie versichert, daß es nicht zu meinen Gewohnheiten gehört, vor Personen des weiblichen Geschlechts auf den Boden zu pissen. Der Schönheit die Ehre!« brüllte er plötzlich. »Und Respekt vor den Damen!« (Er schien sich zu beruhigen.) »Tatsache ist«, sagte er etwas gestelzt, »daß ich mir alles aufgehoben habe, seit man mich heute morgen aus der psychiatrischen Klinik entlassen hat. Die ganze Pisse hab' ich mir aufgespart für den Teppichboden des fetten Lorque, verstehen Sie?«
Aimee nickte mit dem Kopf, leicht verblüfft aber keineswegs beunruhigt.
»Sie verstehen überhaupt nichts!« erklärte der Baron Jules. »Sie haben mit all dem hier nichts zu tun, und jung sind Sie auch! Und sehr begehrenswert, würde ich hinzufügen, obwohl ich's bei Frauen gern etwas üppiger und fülliger habe.«
»Ach ja«, sagte Aimee. Der Baron schenkte ihr ein breites Lächeln. »SIE MÜSSEN
MEHR FUTTERN! SUPPE ESSEN!« brüllte er aus
vollem Hals. - Jean-Patrick Manchette, Herz aus Blei. Bergisch
Gladbach
1993 (Bastei Lübbe Schwarze serie, zuerst 1977)
Baron (7) Die beiden Barone vonTsi, Tsui Schu und King Fong, verschworen sich, den Herzog Dschuang von Tsi zu töten. Nachdem Herzog Dschuang getötet war, setzten sie den Herzog Ging ein, und Tsui Schu wurde sein Kanzler. King Fong wollte nun auch denTsui Schu töten, um an seiner Stelle Kanzler zu werden. Er stachelte daher die Söhne des Tsui Schu an, um die Nachfolge zu streiten, und tatsächlich fingen diese an, sich untereinander zu bekämpfen. Tsui Schu ging zu King Fong und sagte es ihm. King Fong sprach zu Tsui Schu: »Bleib vorerst hier. Ich werde Soldaten ausrüsten, um sie zu töten.« So befahl er dem Lu Man Biä, Soldaten zu nehmen und sie zu töten. Jener tötete die ganze Familie des Tsui Schu und alle seine Verwandten und verbrannte alle seine Schlösser. Darauf kehrte er zurück und berichtete Tsui Schu: »Ich habe sie getötet.«
Tsui Schu kehrte heim, aber er fand keine Heimat mehr vor. Deshalb erhängte
er sich selbst. King Fong wurde zum Kanzler des Herzogs Ging. Der Herzog Ging
aber litt darunter, und als King Fong eines Tages auf die Jagd ging, da wollte
der Herzog Ging zusammen mitTschen WuYü und Gung Sun Dsau und Gung Sun Tschai
den King Fong töten. King Fong widersetzte sich mit seinem ganzen Anhang. Aber
er konnte nicht widerstehen und mußte fliehen. Er ging nach Lu. Da machte Tsi
dem Staate Lu Vorwürfe. Darauf verließ er Lu und ging nach Wu. Der König von
Wu belehnte ihn mit Dschu Fang. Der König Ling von Tschu hörte es und versammelte
die Fürsten, um Wu anzugreifen. Er belagerte Dschu Fang und eroberte es. King
Fong wurde gefangengenommen. Man ließ ihn Beil und Block
auf dem Rücken tragen und sandte ihn in dem ganzen Heer der Fürsten umher. Man
befahl ihm, zu rufen: "Macht es nicht so wie ich, King Fong von Tsi. Ich
habe meinen Fürsten getötet und seinen verwaisten Sohn vergewaltigt und einen
Rat des Volkes ums Leben gebracht.« Darauf wurde er getötet. - Frühling
und Herbst des alten Lü Bu We. Das Weisheitsbuch der alten Chinesen, Köln 2006
(zuerst 3.Jh. v. d. Z.)
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