Babynahrung    W. wollte fragen, was mit ihr geschehen sei, doch dann bemerkte er den schier grauenerregenden Anblick, den ihre Wohnung bot. Wohin er auch blickte, war irgendein undefinierbarer Brei, von grauweißer bis gelblicher Farbe, verschüttet ... oder abgelagert worden. Die Substanz war einem sonderbaren Auswurf ähnlich, und zum Teil war sie schon vertrocknet, wie Gips häufte sich der Brei in allen Winkeln des Fußbodens, Eimer, Töpfe, Pappkartons waren mit ihm gefüllt und quollen über; ein süßlicher Fäulnisgeruch beherrschte die Küche, dessen Ursprung nur diese helle Masse sein konnte, die sich allerorts mit braunen Gärungsflecken überzog ... W. sollte sofort den einstigen Zweck dieser Substanz erfahren: Harry war mit dem unscheinbaren Mädchen ohne zu zögern in dem einzigen Nebenzimmer verschwunden... Cindy, mit unwirscher Bewegung, zerrte einen Kinderwagen aus dem Verschlag hervor, als müsse dieser vor dem Pärchen gerettet werden. In dem Wagen war ein Kind, - es fing zu schreien an, Cindy nahm es heraus und wiegte es mit schlaffen, resignierten Bewegungen vor der unter dem schmuddligen Bademantel verborgenen Brust, und das Kind wurde nach einer Weile tatsächlich ruhig ... Aus Schwäche allerdings, dachte W.; und nun erkannte er in dem weißlichen Brei, der überall zu sehen war, die unverbrauchte Kindernahrung; es war sogenannte Fertignahrung, wie sie aus einem gekörnten Pulver mit Milch oder Wasser zu flaschenfertiger Trinkflüssigkeit angerührt wurde; jetzt sah er auch die leeren Papierhüllen der Handelspackungen, von denen die Küche ebenfalls übersät war. Das Kind hatte die Einnahme dieser Nahrung offensichtlich verweigert, nun füllte die Flüssigkeit, in den verschiedensten Stufen des Verkommens, ja der Versteinerung, jedes verfügbare Gefäß, nun wälzte sie sich auf dem Fußboden und staute sich in den Winkeln der Wohnküche; auf dem Herd, auf drei Vierteln der Tischplatte, auf den unbenutzten Stühlen türmten sich Töpfe, Pfannen, Flaschen und Gläser, allesamt halb oder ganz gefüllt mit dem Brei, der, in Gärung oder Verfestigung begriffen, Blasen warf und, ehe er erstarrte, alles in ein unauflösliches, süß stinkendes Chaos verwandelte. Das Abflußbecken der Wasserleitung war voller Brei, und darin versanken Geschirrberge und Papptüten, ebenfalls voller Brei .,. den grauenvollsten Anblick aber bot der Ofen, aus dem der randvoll mit Brei gefüllte Aschebehälter ragte; die Ringe der Herdplatte waren herausgenommen worden, in verzweifelter Nachlässigkeit war der wochenlang umsonst gekochte Brei in den Ofen geschüttet worden, nun troff er aus den Ritzen der Feuertür, sickerte aus allen undichten Stellen der Schutzbleche wieder hervor und sammelte sich auf dem Fußboden. Dort war die dickflüssige, sich ausbreitende Lache mit Kinderwindeln eingedämmt worden: aber der Deich aus Windeln, aus teilweise schon verwendeten Windeln, hatte das Überfließen der Flut nicht hindern können; sie war durch die schon versteinerten Windeln gekrochen, und darüber hinweg, hatte sich an den kotbefleckten Stoff- und Papierwällen verfärbt, und strebte in bräunlichen Rinnsalen übelriechend der Mitte der Küche zu. Allem Anschein nach war jeder Versuch, dem Säugling diesen Brei zu verabreichen, fehlgeschlagen.   - (ich)
 

Baby Nahrungsmittel


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