Aztekengesicht  Ich begann in den Axolotl eine Metamorphose zu sehen, die aber eine mysteriöse Menschlichkeit beibehalten hatte. Ich stellte sie mir als bewußt vor, Sklaven ihres Leibes, zu Tiefseestille, zu einer verzweifelten Reflexion für alle Zeiten verurteilt. Ihr blinder Blick, die winzige Scheibe aus Gold, ausdruckslos und trotzdem schrecklich hellsichtig, durchdrang mich wie eine Botschaft: »Rette uns, rette uns.« Ich ertappte mich dabei, wie ich Trostworte flüsterte, kindische Hoffnungen übermittelte. Sie sahen mich unverwandt an, unbeweglich; plötzlich reckten sich die kleinen rosigen Zweige der Kiemen. In diesem Augenblick verspürte ich so etwas wie einen dumpfen Schmerz; vielleicht sahen sie mich, registrierten meine Anstrengung, in das Undurchdringliche ihrer Leben einzudringen. Sie waren keine menschlichen Wesen, aber noch in keinem Lebewesen hatte ich eine derart tiefe Verwandtschaft mit mir entdeckt. Die Axolotl waren wie Zeugen von etwas, und zuweilen wie greuliche Richter. Ich kam mir ihnen gegenüber niedrig vor; in diesen durchsichtigen Augen lag eine Reinheit, die erschreckend war. Sie waren Larven, aber Larve bedeutet Maske und auch Gespenst. Welches Bild wartete hinter diesen Aztekengesichtern, ausdruckslos und doch von einer unversöhnlichen Grausamkeit, auf seine Stunde?   - Julio Cortazar, Axolotl. In: J.C., Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main 1998
 
 

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