Autositz   Auf dem Vordersitz lag die Leiche des Mädchens. Ihre Beine standen sittsam zusammen, die glasigen Augen waren schelmisch halb geöffnet, der Mund, ohne Lippenstift, war in einer Grimasse erstarrt und durch zwei kleine Blutrinnsale aus den Winkeln verlängert. Sie gaben dem Gesicht, das hübsch oder wenigstens kindlich offen gewesen sein mußte, den leeren Blick eines erwachsenen Clowns. Der leichte, für eine Nacht Anfang November sicher zu leichte Mantel war bis zur Taille hochgeschoben. Sie trug Strümpfe, und die Clips am Strumpfhalter schnitten in die kräftigen weißen Schenkel ein.

Als er unter den aufmerksamen Blicken von Lorrimer und Doyle näher an die Leiche heranging, erschien sie ihm, wie häufig in einem solchen Augenblick, unwirklich, ein Abnormität, so ungewöhnlich und lächerlich fehl am Platz, daß er einen nervösen Lachreiz unterdrücken mußte. Dieses Gefühl war weniger stark, wenn die Verwesung eines Körpers weiter fortgeschritten war. Dann schien es eher, als wären das verfaulende, von Maden zerfressene Fleisch oder die Fetzen verfilzten Stoffes bereits ein Teil der Erde geworden, die daranhing oder sie bedeckte, nicht unnatürlicher oder erschreckender als ein Haufen Kompost oder ein Berg modernder Blätter. Aber hier, wo das Licht die Farben und Konturen hervorhob, sah der Körper, der äußerlich noch so menschlich war, absurd aus; die Haut der blassen Wangen wirkte so künstlich wie der fleckige Plastikbezug des Autositzes, auf dem er lag. Es kam ihm unsinnig vor, daß ihr nicht mehr zu helfen sein sollte. Wie immer mußte er gegen den Drang ankämpfen, den Mund auf ihren zu pressen und die Wiederbelebung zu beginnen, eine Nadel in das noch warme Herz zu stechen.  - P. D. James, Tod eines Sachverständigen. Reinbek bei Hamburg 1987

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