ustern ›Das kroatische Volk‹, sagte Ante Pavelic, ›will mit Güte und Gerechtigkeit regiert werden. Und ich bin hier, um Güte und Gerechtigkeit zu verbürgen.‹ Während des Gesprächs bemerkte ich einen Korb aus Weidengeflecht, der auf dem Schreibtisch stand, links vom Poglawnik. Der Deckel war etwas geöffnet, man sah, daß der Korb bis an den Rand mit Muscheln und kleinem Seegetier gefüllt war, so schien mir, mit Austern hätte ich gesagt, aber schon entschälten, wie jene, die man manchmal auf großen Platten bei Fortnum and Mason in Piccadilly in London ausgestellt sieht. Casertano blickte mich augenzwinkernd an: ›Gegen eine schöne Austernsuppe wärst du nicht abgeneigt, wie?‹
›Sind das dalmatische Austern?‹
fragte ich den Poglawnik. Ante Pavelic hob den Deckel vom Korb und zeigte die
Muscheln und kleinen Meerestiere, diese schleimige und gallertartige Austernmasse;
und lächelnd sagte er, mit seinem gutmütigen und müden Lächeln: ›Es ist ein
Geschenk meiner getreuen Ustaschas: zwanzig Kilo Menschenaugen. -
Curzio Malaparte, nach: Bruce Chatwin, Der Traum des Ruhelosen. Frankfurt
am Main 1998 (Fischer-Tb. 13729, zuerst 1996)
Austern (2) «Mögen Sie Austern gern?» fragte die Halbrumänin den Vollblut-Pariser, der ihr im Restaurant Duval die Speisenkarte zur Auswahl reichte. «Ich bin ganz verrückt danach.»
«Mir tun sie leid», erwiderte Maurice Pantin, der allzuoft Anatole de Blacs Ratschläge vergaß (sei nicht kompliziert, spiele nicht den Außergewöhnlichen, prunke nicht mit rätselhaften Empfindsamkeiten, laß es dir an deinen fünfundzwanzig Jahren genügen, um die Frauen zu erobern).
«Und mir tun sie nun gar nicht leid, die Austern», lachte Mathilda Arabesco. «Mich erregt grausam der Gedanke an den Gemütszustand dieses zarten Tierchens in dem Moment, in dem es das Messer in sein Inneres eindringen fühlt. Es muß sagen: Nun sind wir soweit!»
«Mich gemahnen sie an den zum Tode Verurteilten, wenn seine Zelle geöffnet wird und man ihm sagt: Haben Sie Mut!»
«Der Pfeffer... die Zitrone... der kreisförmige Schnitt mit der Gabel... Die Toilette des Verurteilten...»
«Genug, Mathilda Arabesco! Sie sind fürchterlich!» - Pitigrilli, Rumänenzauber. In: P., Luxusweibchen. Reinbek bei Hamburg 1988
(rororo 12201, zuerst 1922)
Auster (3) Die Auster, von der Größe eines mittleren Kieselsteins, sieht runzliger aus, nicht so gleichmäßig gefärbt und schimmert weißlich. Sie ist eine hartnäckig verschlossene Welt. Dennoch kann man sie öffnen: dann muß man sie mit einem Lappen in der hohlen Hand halten, ein kurzes, schartiges Messer nehmen, wiederholte Male ansetzen. Die vorwitzigen Finger schneiden sich dabei ins Fleisch, die Nägel brechen: es ist eine grobe Arbeit. Die Wunden, die man ihr beibringt, zeichnen ihren Mantel mit runden weißen Flecken, einer Art von Lichthöfen.
Drinnen findet man eine ganze Welt, zu essen und zu trinken: unter einem Firmament (im eigentlichen Wortsinn) aus Perlmutt senken sich die Oberhimmel auf die Unterhimmel und bilden mit ihnen eine einzige Lache, einen grünlichen, klebrig-zähen Beutel, der für Geruchssinn und Auge schwillt und sinkt, am Ufersaum mit schwärzlichen Spitzen besetzt.
Sehr selten manchmal perlt eine Formel aus ihrem Perlmuttschlund; mit ihr
mag man sich alsbald schmücken. - Francis Ponge, Im Namen der Dinge. Frankfurt am Main 1973
(BS 336, zuerst 1942)
Auster (4)
Die Austern (Für Alain Lance) Ich lebe nicht oft wirklich, du seit Stunden Singst du. Und die Wolfs, an nichts mehr Die nackten Tierchen erst und meinen Gaumen Leben zwischen Gier und Abscheu |
- Volker Braun,
Gegen die symmetrische Welt. Frankfurt am Main 1974
Austern
(5)
Ja, aber was ist mit Austern? Unansehnlich wie ein Klumpen Schleim.
Schmutzige Schalen. Verteufelt schwer aufzukriegen auch. Wer ist da wohl zuerst
drauf gekommen? Müll, Kloakenjauche, futtern sie alles fröhlich rein. Champagner
und Red-Bank-Austern. Wirkung auf die Geschlechts. Aphrodis. Er war in der Red
Bank heute morgen. War er, die Auster, alter Fisch bei Tisch. Im Bett vielleicht
junges Fleisch. Nein. Der Juni hat kein R, keine Austern. Aber es gibt Leute,
die mögen verdorbenes Wild. Hasenpfeffer. Aber erstmal fangen, den Hasen, Pfeffer
auf den Schwanz. Chinesen essen Eier, die fünfzig Jahre alt sind, blau und grün
schon wieder. Diner mit dreißig Gängen. Jedes Gericht an sich harmlos, aber
könnte sich innen mischen. Idee für eine geheimnisvolle Giftmordgeschichte.
Das war doch dieser Erzherzog Leopold, nicht? Nein. Ja, oder war es Otto, einer
von diesen Habsburgern? Oder wer war das, der immer den Grind von seinem eigenen
Kopfe aß? Billigstes Lunch in der Stadt. Natürlich, Aristokraten. Die andern
kopieren das dann. - (
joy
)
|
||
|
||