usrüstung Ein schutzloses, einsames Kind, völlig dem Zufall preisgegeben, hatte er in Frankfurt, Amsterdam, London, Lissabon seltsame Leiden erduldet. Dinge, die sich nicht berichten lassen und an die man sich kaum erinnern mag, bewegten sich noch immer wie Tiefseefische in den Untergründen seiner verdüsterten Seele. In London hatte ihn der Zufall einem erfinderischen alten italienischen Buchhalter in die Hände gespielt, der ihn lesen und schreiben lehrte und ihm, bevor er starb, in einem Jahr so viel von der Kunst der doppelten Buchführung beibrachte, wie andere in zehn Jahren lernen. Später wehte es den Jungen von dort wieder fort und nach Osten, und schließlich schlug er Wurzel in Herrn Clays Büro in Kanton. Da saß er an seinem Pult wie ein vom Wetzstein des Lebens unsäglich scharf geschliffenes Werkzeug, mit Augen und Ohren wie ein Luchs, und ohne die geringsten Illusionen über Welt und Menschheit.
Solchermaßen ausgerüstet, hätte Elischama sehr wohl eine eigene Karriere
machen und zu einer im Umgang und in Geschäften höchst gefährlichen Persönlichkeit
werden können. Dem war aber nicht so, und der Grund für diese scheinbar widersinnige
Tatsache lag in dem völligen Mangel an Ehrgeiz in der Seele des Jungen. Das
Begehren, in jeder Form war es ihm ausgewachsen, ausgebleicht, ausgebrannt,
ehe er noch lesen gelernt hatte. Äußerlich betrachtet war er ein ziemlich gewöhnlicher
junger Mensch, klein, schmächtig und sehr dunkel, mit verhangenen braunen Augen,
und hätte als Angehöriger so gut wie jeder Nation gelten können. Geistig aber
hatte er nichts von einem jungen Menschen, sondern glich ganz einem frühreifen
Kind oder einem sehr alten Mann. Es war keine Weichheit und Fülle in ihm, keine
Sehnsucht nach Liebe und Abenteuer, kein Bedürfnis nach Wettstreit, weder eine
Furcht, kämpfen zu müssen, noch das Verlangen danach. Außen und innen war er
fast wie ein Insekt, eine Ameise, die sogar mit dem Stiefelabsatz nur schwer
totzutreten ist. - Tania Blixen, Schicksalsanekdoten.
Reinbek bei Hamburg 1988 (zuerst 1958)
Ausrüstung (2) Manchmal
geriet ich an Händler, die sich für diese ihrem Wissen angepaßte Exotik begeisterten.
Am Kanal Saint-Martin überließ mir ein Fabrikant von Angelhaken
alle seine auslaufenden Serien zu einem Spottpreis. Ein Jahr lang habe ich mehrere
Kilo Angelhaken durch den Busch geschleppt, die keiner haben wollte, denn sie
waren zu klein für jene Fische, die der amazonische Fischer für würdig hält,
geangelt zu werden. Schließlich bin ich sie an der bolivianischen Grenze losgeworden.
Alle diese Waren mußten einen doppelten Zweck erfüllen: als Geschenke und Tauschobjekte
für die Indianer sowie als Mittel, mir Nahrung und Dienstleistungen in abgelegenen
Gegenden zu verschaffen, bis zu denen die Händler selten vordringen. Ais am
Ende der Expedition meine Mittel erschöpft waren, konnte ich ein paar Wochen
lang meinen Lebensunterhalt damit verdienen, daß ich in einem Lager von Kautschuksuchern
einen Laden eröffnete. Die Prostituierten des Orts kauften mir eine Halskette
gegen zwei Eier ab, nicht ohne zu feilschen. -
(str2)
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