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Erste Nacht. Bebuquin lag ruhig in den weißen Kissen, lang ausgestreckt,
lange ein Loch in die Decke stierend, welche sich nicht hob. Kurze Zeit meinte
er im Schlamm zu schwimmen; dann fieberte er, sich den Kopf mit den Fingern
umfassend; ziemlich ängstlich versteckte er sich vor dem offenen Fenster. Er
war nicht fähig zu sprechen. Nach einer Stunde redete er sehr beherrscht. Zweite
Nacht. - Bebuquin vermied es einzuschlafen, wohl die Träume fürchtend. Es sei
Gefahr, meinte er, daß er zu sehr ins Träumen gerate. Er spricht sehr erregt
und spürt um sich dunkle Vögel flattern. Dann erstarren die Kiefer. Dritte Nacht.
- Bebuquin schlief ruhig ein, fuhr im Schlaf einigemal mit den Händen empor;
sein Gesicht lag allmählich wie im Krampf, die Haut faltete sich und umrunzelte
den ganzen Schädel. Ruckweise öffneten sich auf Sekunden seine Lider, er zog
Finger und Zehen sich spreizend in die Länge, dann ging er eng zusammen und
zitterte heftig. Gegen Morgen wachte er auf, war unfähig zu reden und konnte
nicht mehr allein essen. Nur einmal schaute er kühl drein und sagte: Aus. -
(
beb
)
Aus! (2) »Der Moment des Aus! traf mich erst, als ich in der Mittagsfinsternis vor einem wie unübersteigbaren, haushohen Stahlgitter stand, wie unbegrenzt beiderseits, und der Durchlaß, den ich dann fand, mit Ketten versperrt. War ich durch eine unsichtbare Bresche in das Gelände einer verlassenen, sonst aber intakten, jedenfalls jede Passage verlegenden Gebirgskaserne oder eines längst aufgegebenen Sierra-Gefängnisses geraten (das in meinem Fall wieder seinen alten Zweck erfüllte)? Ich hätte ja umkehren können, zurückkriechen und -robben in die Maisonne?«
»Doch ein Umkehren, noch einmal seltsamer, kam nicht in Frage, so wie ich
auch die paar anderen Male in der Sierra, da ich leibhaftig dort um mein Leben
gekämpft habe - und nicht nur eine Stunde im Blizzard, sondern einmal fast einen
Tag lang und einmal eine ganze liebe, ja, dann auch liebe Nacht lang - an einer
bestimmten Stelle noch hätte umkehren können, vor der Schlangenlichtung, vor
dem Brandwald, und es aber ein Ding der Unmöglichkeit war, daß ich, daß man
kehrtmachte, daß wir kehrtmachten, seltsam, wie seltsam. Mit dem Stahlgitter
wußte ich mich jedenfalls an meiner Grenze. Indem dann aber die Verwandlung
geschah, seltsam, wie seltsam, meiner selbst in meinen Bruder, weit weg hinter
den Dünen-Zuchthausmauern -« - Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002
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