Augen, gute  Die kleine Jean Beicke war so ziemlich das Schlimmste, das man sich vorstellen kann. Elf Monate alt. Wenn sie nackt auf dem Untersuchungstisch lag, den Unterkörper in eine Decke gewickelt, wenn sie so dalag, hätte man sie für ein fünf Monate altes Baby halten können, sie war gerade so groß. Aber wenn die Schwester die Decke wegnahm, waren ihre Beine noch gute zwanzig Zentimeter länger. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen. Ich deckte sie zu und bat zwei Männer, sie sollten raten, wie groß sie sei. Beide schätzten sie fast fünfzehn Zentimeter zu klein. Etwas, was außer ihrem kleinen Gesichtchen diesen Eindruck verstärkte, waren ihre Arme. Sie reichten ihr ungefähr bis zu den Hüften. Ich weiß nicht, woher das kam. Sie hätten eigentlich ja bis zu den Oberschenkeln reichen müssen.

Sie war nur Haut und Knochen, aber ihre Augen waren gut, und sie sah einen direkt an. Nur wenn man sie irgendwo berührte, fing sie an zu wimmern und dann zu weinen, mit einem schrillen, qualvollen Ton, den niemand hören wollte. Wir faßten sie so sanft an, wie wir das nur vermochten, aber sie mußte trotzdem weinen.

Von allen Säuglingen, die ich je gesehen habe, bot sie den scheußlichsten Anblick. Ihr Kopf war an der Stirn hochgewölbt und hinten ganz flach, weil sie, wie ich vermute, so lange auf dem Rücken gelegen hatte, daß der Kopf durch sein Gewicht und die Weichheit der Knochen infolge Rachitis sich hinten verflacht und nach vorn verschoben hatte. Und ihre Beine und Arme schienen lose an der Seite zu hängen wie die Arme und Beine einer billigen Puppe. Die Füße ließen sich ganz flach bis an die Schienbeine hochbiegen - aber es gab keine wirkliche Mißbildung, es war einfach alles locker. Niemand war bei ihr, als ich sie zum ersten Mal sah, obgleich ihre Mutter sie hergebracht hatte. - William Carlos Williams, Jean Beicke, nach (messer)

 

Auge

 

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