uge,
geflügeltes
Dem Plan des Labyrinths entsprechend
müßte ich mich von einem Ort, den man Eingang zu nennen pflegt, bis zu einem
anderen, der Ausgang sein will, kennen und begehen. Wenn ich mich nun über mich
erhebe und mich betrachte, ist es mir nicht unmöglich, etwas zu erblicken, das
ich als übergroße und zugleich fast aberwitzig winzige Landkarte beschreiben
müßte, die außerordentlich klar und deutlich erscheint. Wenn ich unbewegt über
dieser Landkarte in der: Luft verharre, entziffert mein Vogelblick ganz allmählich
einen Pfad - so scheint es ihm wenigstens -, der sich vorsichtig mitten durch
die zahllosen Verführungen anderer unredlicher Pfade schlängelt, rätselhafte
Ecken vermeidet, vernünftig - so sieht es wirklich aus -von einem Ort zu einem
anderen führt, indem er den schrecklichen Knäuel des Gedärms, der trennend zwischen
den Orten liegt, vom einen Ende bis zum anderen überschreitet. Wenn ich hoch
im Himmel schwebe, wird der Knäuel zu einem dunklen Brei, zu einer Art Pfütze
aus irgendwelchem Flüssigen, das zwar keine Beschreibung duldet, das ich jedoch,
so sage ich mir, einzig mit der Kraft meiner Glieder durchschreiten könnte,
da es auf meinem Weg keinen größeren Widerstand als eine Hecke zu geben scheint;
also werde ich das Labyrinth durchschreiten, indem ich nur meinen Körper dagegen
drücke. Natürlich enthält meine Überlegung einen heillosen Sophismus, denn mein
Körper ist ja selbst das Labyrinth. Wenn aber mein geflügeltes Auge hinabsteigt,
stoße ich wieder - so scheint es mir - auf den Pfad, den genauen Einschnitt
eines Fingernagels, und mich beruhigt die offensichtlich unbeugsame Hartnäckigkeit
seiner Zeichnung, denn ich weiß, daß ich ihr mit gelassenem, langsamem Schritt
ohne jegliche Panik bequem folgen kann, da ich sicher bin, jeden meiner Schritte
wissend zu überwachen, sicher bin, den Anfang und das Ende des Weges zu kennen,
wenn ich auch nicht weiß, ob sein Anfang und sein Ende sich decken mit dem,
was ich als Eingang und Ausgang bezeichne. Es gibt also für mich einen Punkt
der Selbstbeobachtung, wo das Problem des Labyrinths, das heißt das Problem,
mich selbst zu beschreiben und zu begehen, durchaus gelöst erscheint. - Giorgio Manganelli, Das
Labyrinth. In: (
irrt
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