Andacht wird hauptsächlich dadurch ausgedrückt, daß das Gesicht nach dem Himmel gekehrt ist mit nach oben gerollten Augäpfeln. Sir Ch. Bell bemerkt, daß bei dem Herannahen des Schlafes oder eines Ohnmachtsanfalles oder des Todes die Pupille nach oben und innen gezogen wird; er glaubt nun, daß »wenn wir uns in Andachtsempfindungen ergehen und äußere Eindrücke nicht beachtet werden, die Augen dann durch eine weder gelehrte noch erworbene Tätigkeit nach oben gewandt werden« und daß dies Folge ein und derselben Ursache ist, wie in den eben erwähnten Fällen.
Daß die
Augen während
des Schlafes
nach oben gerollt
werden, ist,
wie ich von
Prof. Donders
höre, gewiß.
Bei neugebornen
Kindern gibt
diese
Bewegung der
Augäpfel, während
sie an der
Brust ihre
Mutter saugen,
ihnen häufig
einen absurden
Ausdruck ekstatischen
Entzückens,
und hier läßt
sich deutlich
wahrnehmen,
daß gegen die
naturgemäße
während des
Schlafes angenommene
Stellung angekämpft
wird. Aber
Sir Ch.
Bells Erklärung
der Tatsache,
welche auf
der Annahme
beruht, daß
gewisse Muskeln
mehr unter
der Kontrolle
des Willens
stehen als
andre, ist,
wie ich von
Prof. Donders
höre, inkorrekt.
Da die Augen
häufig im Gebete
nach oben gewendet
werden, ohne
daß der Geist
so sehr in
Gedanken absorbiert
wäre, daß er
der Bewußtlosigkeit
des Schlafes
sich annähert,
so ist die
Bewegung wahrscheinlich
eine konventionelle
— das Resultat
des gewöhnlichen
Glaubens, daß
der Himmel,
die Quelle
der göttlichen
Gewalt, zu
der wir beten,
über uns gelegen
ist.
- (
dar
)
- Magnus Hirschfeld, Weltreise eines Sexualforschers
im Jahre 1931/32. Frankfurt 2006 (zuerst 1933)
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