Aufziehen   Er kehrte die Figur aufs Gesicht und zog sie vorsichtig auf. Als der Schlüssel blockierte, beugte er sich vor und stellte die Figur auf den Fußboden.

»Los«, sagte Bobby. Die Metallfigur stand still. Dann begann sie zu surren und zu klicken. Quer über den Fußboden bewegte sie sich, mit steifen, ruckartigen Schritten. Plötzlich wechselte sie die Richtung und strebte auf die Tür zu. Bei der Tür blieb sie stehen. Dann wandte sie sich zu ein paar herumliegenden Bauklötzen herum und begann, sie zu einem Haufen zusammenzuschieben.

Bobby sah interessiert zu. Die kleine Figur mühte sich mit den Klötzen ab, türmte sie zu einer Pyramide. Schließlich kletterte sie zur Spitze und drehte den Schlüsse! im Schloß herum.

Bobby kratzte sich verwundert am Kopf. »Warum hast du das gemacht?« fragte er. Die Figur kletterte wieder herab und kam, klickend und surrend, quer durch das Zimmer auf Bobby zu. Bobby und die Stofftiere betrachteten sie voller Überraschung und Verwunderung. Die Figur erreichte das Bett und blieb stehen.

»Heb mich hoch!« rief sie ungeduldig mit dünner, metallischer Stimme. »Beeil dich! Sitz nicht bloß so da!«

Bobby sah sie groß an. Er traute seinen Augen nicht und blinzelte. Die Stofftiere sagten nichts.

»Mach schon!« rief der kleine Soldat.

Bobby langte nach unten. Fest packte der Soldat seine Hand. Bobby schrie auf.

»Sei still!« befahl der Soldat. »Heb mich aufs Bett. Ich muß ein paar Dinge mit dir besprechen, Dinge von großer Wichtigkeit.«

Bobby setzte den Soldaten neben sich aufs Bett. Im Zimmer war es still, nur das leise Surren der Metallfigur war zu hören.

»Hübsches Zimmer«, sagte der Soldat schließlich. »Sehr hübsches Zimmer.«

Bobby rückte auf dem Bett ein Stück zurück.

»Was ist los?« fragte der Soldat scharf. Er drehte den Kopf und bückte nach oben.

»Nichts.«

»Ist was?« Die kleine Figur musterte ihn. »Du hast vor mir doch keine Angst, oder?«

Bobby bewegte sich unbehaglich.

»Angst vor mir?« Der Soldat lachte. »Ich bin doch nur ein kleiner Metallmann, ganze fünfzehn Zentimeter groß.« Er lachte und lachte. Unvermittelt hörte er auf. »Hör zu. Ich werde eine Weile hier bei dir leben. Ich werde dir nichts tun; du kannst mir vertrauen. Ich bin ein Freund -ein guter Freund.«

Er spähte ein wenig besorgt empor. »Aber ich möchte, daß du etwas für mich tust. Es wird dir doch nichts ausmachen, etwas zu tun, nicht wahr? Sag mir: Wie viele von ihnen gibt es in deiner Familie?«

Bobby zögerte.

»Sag schon, wie viele von ihnen? Erwachsene.«

»Drei . . . Papa und Mama und Foxie.«

»Foxie? Wer ist das?«

»Meine Großmutter.«

»Drei also.« Die Figur nickte. »Ich verstehe. Nur drei. Aber andere kommen von Zeit zu Zeit auch hierher? Andere Erwachsene besuchen dieses Haus?«

Bobby nickte.

»Drei. Das sind nicht zu viele. Drei sind kein so großes Problem. In der Fabrik hieß es -«

Er unterbrach sich. »Gut. Hör mir zu. Ich will nicht,

daß du denen was von mir sagst. Ich bin dein Freund, dein geheimer Freund. Es wird die ohnehin nicht interessieren, von mir zu hören. Ich werde dir nichts tun, denk daran. Du hast nichts zu befürchten. Ich werde einfach hier leben, bei dir.«

Er beobachtete den Jungen eingehend und ließ die Worte wirken.

»Ich werde so eine Art Privatlehrer sein. Ich werde dich Sachen lehren, die du tun und sagen wirst. Genau wie ein Lehrer das sollte. Wie gefällt dir das?«

Schweigen.

»Natürlich gefällt dir das. Wir können schon jetzt damit anfangen. Vielleicht möchtest du wissen, wie du mich richtig anreden mußt. Möchtest du das lernen?«

»Dich anreden?« Bobby starrte hinunter.

»Nenn mich . . .« Die Figur hielt inne, zögerte. Doch dann verkündete sie stolz: »Nenn mich einfach - My Lord.«

Bobby sprang auf, preßte die Hände ans Gesicht.

»My Lord«, sagte die Figur unnachgiebig. »My Lord. Du brauchst ja nicht gleich jetzt damit anzufangen. Ich bin müde.« Die Figur sackte ein wenig zusammen. »Ich bin fast abgelaufen. Bitte zieh mich in ungefähr einer Stunde wieder auf.«

Die Figur begann steif zu werden. Sie blickte zu dem Jungen hoch. »In einer Stunde. Ziehst du mich dann fest auf? Das tust du doch, nicht wahr?«

Die Stimme verstummte.

Bobby nickte langsam. »In Ordnung«, murmelte er. »In Ordnung.«  - Philip K. Dick, Und jenseits - das Wobb. Sämtliche SF-Geschichten Band 1. Zürich 1998

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