ufschlagen   Frau Kitamura, die 1945 die „Tanzende Religion" (Odoru Shukyo) gründete, wurde 1900 auf einem Dorfe der Yamaguchi-Provinz geboren. Als kleines Kind schlug sie sich beim Fall von einem Baum die Stirn auf. 1920 wurde sie nach traditioneller Sitte nach nur wenigen Jahren Volksschulerziehung mit einem Bauern verheiratet, dessen Mutter die Angewohnheit hatte, Mädchen „auf Probe" zu nehmen, bis die Erntearbeiten vorüber waren. Trotz dauernder Schikanen der Schwiegermutter und trotz der Ernährung mit verschimmelten und verfaulten Essensresten hält Frau Kitamura die „Probezeit" durch, gebiert 1940 einen Sohn und pflegt ihre kränkelnde Schwiegermutter bis zu deren Tod im 90. Lebensjahr (1940). In dieser Zeit fühlt sie zum ersten Mal ein „Hämmern" in ihrem Kopf, ohne allerdings viel Notiz davon zu nehmen. Kurz darauf jedoch wird durch Brandstiftung der gesamte Hof und die Scheune mit der Ernte vernichtet, und Frau Kitamura geht deswegen zu einem Wanderorakelpriester, der sie anweist, an einem bestimmten Shinto-Schrein Buß- und Fastenübungen sowie mehrstündige Gebete durchzuführen, was sie für mehrere Monate auch von 10 Uhr abends bis 2 Uhr morgens tut. Während dieser Kaltwasserbußen und Betäubungen hat Frau Kitamura ihre ersten Sinnestäuschungen: sie hört Stimmen, sieht paradiesische Landschaften und erlebt einen inneren Seelenfrieden.

1944 kommt es dann zu den entscheidenden Besessenheitserlebnissen: sie nimmt eine Wesenheit in ihrem Körper wahr, die zu ihr zu reden beginnt. Da sie diese Wesenheit zunächst für einen bösen Geist hält, versucht sie ihn vergeblich durch Exorzismen auszutreiben. Der Geist in ihrem Körper spricht sie daraufhin an: „Wenn Du mir nicht zu Willen bist, werde ich Dich verlassen müssen. Aber vorher werde ich Dir noch Deine Gedärme zertreten, bis Du durch innere Blutungen stirbst." Sie beginnt nun, diesem Geist zu gehorchen und in öffentlichen Predigten seine Worte zu verkünden: daß die japanische Militärregierung verrucht sei, alle Politiker korrupt seien und daß die Welt apokalyptisch enden werde, um die „Bettelmaden" auszurotten. Ihre körperlichen Leiden werden immer schlimmer: sie spuckt Blut, windet sich in Krämpfen, fällt bewußtlos nieder und entwickelt einen extremen Durchfall. Sie beginnt, sich Männerkleider anzuziehen, wirft ihren Ehemann aus dem Schlafzimmer und kommandiert ihn herum.  - Klaus-Peter Köpping, in: alcheringa oder die beginnende Zeit. Hg. Hans Peter Duerr. Frankfurt am Main 1983

 

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