Arbeit, harte   Er hob den Körper etwas an und gab ihm einen leichten Stoß, so daß er die Steinhalde hinunterrollte. Tom kletterte nach unten und zog den Toten in die kleine Höhle, die er gefunden hatte.

Das war geschafft, und er war froh darüber. Jetzt begann er eifrig Holz zu sammeln. Mindestens sechsmal mußte er seine Ladung auf dem kleinen Platz abstellen, den er für die Aktion ausgesucht hatte. Bernards Kopf und Gesicht lagen im Dunkel, und er vermied es hinzusehen. Zuletzt raffte er ein paar Handvoll trockene Blätter und kleine Zweige zusammen, wie sie dort herumlagen, und warf das Geld und die Papiere aus Bernards Brieftasche dazwischen. Dann zog er die Leiche nach oben auf den Holzhaufen, schob mit angehaltenem Atem die Beine hoch und stieß mit dem Fuß den einen Arm nach. Der Körper war steif, ein Arm war ausgestreckt. Tom holte das Benzin und goß die Hälfte über den Regenmantel, so daß er ganz durchtränkt war. Er beschloß, lieber noch mehr Holz zu holen und es obenauf zu legen, bevor er alles anzündete.

Er strich ein Streichholz an und warf es aus einiger Entfernung auf den Haufen. Sofort sprangen gelbweiß die hellen Flammen auf. Er kniff die Augen halb zu und suchte sich einen Platz ein paar Schritte entfernt. Das Holz prasselte und knackte. Er blickte nicht hin.

Nichts Lebendes war in Sicht. Keinen Vogel sah man fliegen. Tom ging noch einmal los, um mehr Holz zu sammeln. Zu viel konnte es nicht werden, dachte er. Der Rauch war blaß, aber ganz dicht.

Auf der Straße fuhr ein Wagen vorbei; dem Motorengeräusch nach mußte es ein Lastwagen sein. Tom konnte ihn nicht sehen, die Bäume waren dazwischen. Das Geräusch verklang; hoffentlich hatte der Fahrer nicht angehalten, um sich umzusehen, Doch drei oder vier Minuten lang geschah gar nichts, sicher war der Mann weitergefahren. Ohne Bernards Überreste anzusehen, schob Tom mit einem langen Stock ein paar Zweige näher an die Flammen heran. Er war nicht zufrieden mit sich, das alles war im Grunde ungeschickt; das Feuer war nicht heiß genug - nicht annähernd so stark wie die intensin/ Hitze, in der man sonst Leichen richtig verbrannte. Alles, was er tun konnti! war, daß er das Feuer so lange wie irgend möglich brennen ließ. Es war jetii siebzehn Minuten nach zwei. Allerhand Hitze strahlte das Feuer schon atti das lag an dem überhängenden Felsen. Er mußte noch mehr Zweige auflegen das tat er stetig mehrere Minuten lang. Als die Flammen etwas kleiner wutj den, konnte er etwas näher herantreten, die halbverbrannten Zweige aufheben und sie ins Feuer zurückwerfen. Die Benzinkanne war auchnoch halb voll. Methodisch und sorgfältig holte er noch einmal Holz herbei, diesmal auj größerer Entfernung, und häufte es zum letztenmal auf. Dann warf er der Benzinkanister auf den toten Körper, der immer noch Ähnlichkeit hatte mij einer menschlichen Gestalt; das war schlimm. Der Regenmantel und die Hose waren jetzt verbrannt, nicht aber die Schuhe. Die Haut, soweit er sie sehen konnte, war schwarz, aber nicht verbrannt, nur verkohlt; sie rauchte. Der Benzinkanister gab einen dumpfen trommelartigen Ton von sich, explodierte! aber nicht. Die ganze Zeit horchte Tom mit halbem Ohr nach Schritten oder knackenden Zweigen im Wald. Es war immerhin möglich, daß jemand denj Rauch sah und dann herkam. Schließlich trat er ein paar Schritte zurück, zog1 den Regenmantel aus und hängte ihn sich über den Arm; dann setzte er sich mit dem Rücken zum Feuer auf den Boden. Gut zwanzig Minuten wollte er! verstreichen lassen. Die Knochen verbrannten nicht und zerfielen auch nicht, das wußte er. Er brauchte also ein neues Grab, und dazu war eine Schaufel nötig. Die mußte er irgendwo kaufen - nein, stehlen war ratsamer.

Als er endlich den Scheiterhaufen ansah, war er schwarz und umringt von rotglosender Holzkohle, die er in die Mitte zurückschob. Der Körper war ein' Körper geblieben; hier war die Einäscherung mißlungen. Sollte er die Sache' lieber heute hinter sich bringen oder morgen zurückkommen? Nein, besser heute, wenn es lange genug hell blieb, damit er sehen konnte, was er da tat. • Was er jetzt brauchte, war etwas zum Umgraben. Er nahm wieder den langen Stock und stieß die Leiche an; sie kam ihm weich und gallertartig vor. Er nahm denKoffer und stellte ihn unter einer Baumgruppe flach auf den Boden. Eilig lief er den Abhang hinauf bis zur Straße. Der Geruch des Rauchs war widerlich, er hatte schon minutenlang nicht richtig Atem geholt. Wie lange würde es dauern, bis er eine Schaufel fand? - Vielleicht eine Stunde, länger ' nicht. Er hatte das Bedürfnis, sich irgendeinen Plan, ein System vorzunehmen ; er kam sich im Augenblick so völlig verloren und ratlos vor. Mit leeren Händen, ohne den Koffer, ging er die Straße hinunter. Nach einer Weile erreichte er die Häuserreihe in der Nähe des Cafes, in dem Bernard seinen Rotwein getrunken hatte. Da gab es ein paar saubere Gärten, auch mehrere eingeglaste Treibhäuser, aber nirgends lehnte ein Spaten oder eine Schaufel an der Mauer.

«Grüß Gott», sagte ein Mann, der seinen Garten umgrub. Er hielt genau die Art von schmalem scharfem Spaten in der Hand, die Tom brauchte. Tom erwiderte den Gruß.

Jetzt sah er eine Bushaltestelle, die ihm gestern nicht aufgefallen war; ein junges Mädchen ging darauf zu, in Richtung auf Tom. Der Bus mußte bald kommen. Tom hätte ihn gern genommen und alles hinter sich gelassen: die Leiche, das Feuer, den Koffer. Er ging an dem Mädchen vorbei, ohne sie anzusehen; dann sah er am Kantstein einen Seichten Schubkarren voller Blätter stehen, und obendrauf lag eine Schaufel. Er traute seinen Augen kaum. Ein Geschenk des Himmels - nur war die Schaufel stumpf. Tom verlangsamte seine Schritte und warf einen Blick in den Wald — vielleicht war der Arbeiter, dem die Sachen gehörten, nur mal für einen Augenblick verschwunden.

Der Autobus kam; das Mädchen stieg ein, der Bus fuhr ab.

Tom nahm die Schaufel und ging ohne Hast den gleichen Weg zurück, wobei er sie so nachlässig trug wie einen Schirm, nur horizontal.

Als er die Stelle erreicht hatte, ließ er die Schaufel fallen und machte sich von neuem auf die Suche nach Brennholz. Der Tag ging zur Neige, und er wollte den Rest Helligkeit ausnutzen. Noch konnte er gut sehen. Er ging etwas tiefer in den Wald. Den Schädel mußte er zerschlagen, das wußte er; vor allem die Zähne mußten verschwinden, und er wollte nicht morgen noch einmal herkommen. Wieder stocherte er das Feuer an, dann nahm er die Schaufel und machte sich an einer Stelle, wo das Laub feucht war, daran, ein Loch in den Erdboden zu graben. Mit einer Forke wäre es leichter gewesen. Andererseits brauchte das Grab nicht sehr tief zu werden, denn keine streunenden Tiere würden sich für Bernards Überreste interessieren. Als er müde wurde, wandte er sich zum Feuer um, und ohne innezuhalten, ließ er die Schaufel auf den Schädel niederkrachen. Aber damit war es nicht getan, das sah er. Doch nach zwei weiteren harten Schlägen war der Unterkiefer vom Schädel getrennt, und Tom scharrte ihn mit der Schaufel aus der Asche heraus und schob noch mehr Holz neben den Schädel.

Jetzt ging er hinüber zu dem Koffer und legte ihn innen mit den Zeitungen aus. Etwas von der Leiche mußte er mitnehmen, aber bei der Vorstellung von Hand oder Fuß schreckte er zurück. Vielleicht etwas Fleisch aus dem Körper. Fleisch war Fleisch, dies hier war menschlich und sicher nicht zu verwechseln zum Beispiel mit dem Fleisch einer Kuh. Einen Augenblick wurde ihm schlecht, er hockte sich neben einen Baum und legte den Kopf an den Stamm. Dann ging er mit festen Schritten zum Feuer, nahm die Schaufel und grub ein wenig Fleisch aus Bernards Hüfte. Es war dunkel und feucht. Auf der Schaufel trug er es zum Koffer und ließ es auf das Papier fallen. Den Koffer ließ er offen, dann legte er sich erschöpft auf die Erde.

So verging etwa eine Stunde. Tom schlief nicht ein; er merkte, wie es dämmerig und dann dunkel wurde, und ihm fiel ein, daß er keine Taschenlampe bei sich hatte. Er stand auf und nahm die Schaufel, doch ein weiterer Schlag auf den Schädel nützte so wenig wie zuvor. Auch mit dem Fuß würde er nichts erreichen, das wußte er. Es mußte schon ein schwerer Stein sein. Er fand einen Felsstein und rollte ihn zum Feuer. Mit neu und heftig aufflammender Energie hob er ihn auf und ließ ihn schwer auf den Schädel fallen. Da lag der Stein: er hatte den Schädel unter sich zermalmt. Tom schob den Stein mit der Schaufel weg und trat schnell einen Schritt zurück; die rosige Feuers-glut war noch immer sehr heiß. Er stocherte darin herum und holte mit der Schaufel ein seltsames Gemisch aus Knochen und den Resten des Oberkiefers heraus.

Jetzt hatte er etwas zu. tun, das erleichterte ihn. Er fing an, die Feuerstelle ein wenig zu ordnen. Hinsichtlich der länglichen Form, die da lag, war er ganz optimistisch, sie sah gar nicht mehr menschlich aus.- Patricia Highsmith, Ripley Under Ground. Reinbek bei Hamburg 1974

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