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Edwin Henel, Der Orchideeengarten (ca. 1920)
Arachnophobie (2) Es waren schreckliche und scheußliche Ungeheuer, die uns von einem Augenblick zum anderen alle Lebensfreude rauben konnten. Eine seltsame buñueleske Morbidität machte aus ihnen das Hauptthema unserer Familienunterhaltungen. Unsere Geschichten von Spinnen sind sagenhaft.
Einer solchen Geschichte zufolge soll mein Bruder Luis beim Anblick eines Ungeheuers mit acht Augen und hakenförmigen Fühlern am Maul in einem Gasthof in Toledo, in dem er gerade speiste, bewußtlos geworden und erst in Madrid wieder zu sich gekommen sein.
Meiner ältesten Schwester war kein Blatt Papier groß genug, um den Kopf und den Thorax einer Spinne aufzuzeichnen, die ihr in einem Hotel aufgelauert hatte. Fast unter Tränen erzählte sie uns von den Blicken, die das wilde Tier ihr aus vier Augenpaaren entgegengeworfen hatte, bis ein Hotelboy es unverständlicherweise völlig gelassen an einem Bein aus dem Zimmer hinaustrug.
Meine Schwester machte mit ihrer hübschen Hand das wackelnde und ekelhafte Kriechen alter behaarter und verstaubter Spinnen nach, die den Dreck ihrer eigenen Ausscheidungen hinter sich herziehen und, mit einem fehlenden Bein, durch unsere Kindheitserinnerungen gehen.
Das letzte dieser Abenteuer widerfuhr mir erst kürzlich. Ich ging die Treppe hinunter und hörte hinter mir plötzlich ein schäbiges, schlaffes Geräusch. Ich ahnte, was es war. Und es war tatsächlich der ekelerregende Erbfeind der Buñuels. Ich dachte, ich würde sterben, und nie werde ich das grauenhafte Geräusch vergessen, das ihre teuflische Blase machte, als der Zeitungsjunge sie dann mit dem Fuß zertrat. Fast hätte ich zu ihm gesagt: „Du hast mir mehr als das Leben gerettet." Ich frage mich immer noch, mit welcher schrecklichen Absicht sie hinter mir her war.
Die Spinnen! Unsere Alpträume wie unsere geschwisterlichen Unterhaltungen wimmelten von ihnen.
Fast alle hier genannten Tiere gehörten meinem Bruder Luis, und ich habe
nie jemanden gesehen, der sie, ihren biologischen Bedürfnissen entsprechend,
besser behandelt und gepflegt hätte. Heute noch liebt er Tiere, und ich habe
ihn sogar im Verdacht, daß er versucht, seinen Spinnenhaß zu bezwingen. - Conchita
Buñuel, nach: Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main 1985
Arachnophobie (3)
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N. N.
, aus 'Tarantula' (Jack Arnold 1955)
Arachnophobie (4) Plötzlich
kam unter einem Schrank eine Spinne hervor, flitzte wie angestochen
weiter, hielt dann unvermittelt an und verharrte völlig still. Dann ein
erneutes schnelles Huschen und anschließend wieder Regungslosigkeit.
Fett, mit langen, haarigen Beinen, deren eckige Gelenke den Körper
überragten. Dann war es schon besser, sie bewegte sich. Morse fiel ein
Spiel aus seiner Kindheit ein, das Ochs am Berg geheißen hatte.
Man lief zu den Klängen irgendeiner Musik umher, und wenn sie abrupt
aufhörte, musste man stehen bleiben, wo man war, und durfte sich nicht
rühren. Die Spinne war jetzt fast an der gegenüberliegenden Wand
angekommen. Morse sah ihr zu wie hypnotisiert. Er hatte eine
Spinnenphobie.
»Haben Sie heute Nachmittag das Mordsding gesehen, das in Baines' Badewanne gesessen hat?«, fragte Lewis.
»Halten Sie augenblicklich den Mund, Sergeant. Ich
verbiete Ihnen, von so etwas zu reden. Und jetzt treten Sie das
grässliche Biest endlich tot!«
»Aber, Sir! Das darf man nicht. Der hat bestimmt
irgendwo Frau und Kinder, die auf ihn warten.« Er beugte sich herunter
und bewegte langsam seine geöffnete Hand auf die Spinne zu. Morse
schloss die Augen. - Colin Dexter, Zuletzt gesehen in Kidlington. Zürich 2018
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