Apostat   Sabbatai Zwi war ein türkischer Jude aus Smyrna (Izmir). Er wurde am 1. August 1626 geboren. Sein Vater war der örtliche Vertreter einer englischen Firma. Sabbatai verstand die Psalmen mit süßer Stimme zu singen und wurde von den Kindern geliebt. Er war mit allen talmudischen, rabbmischen und kabbalistischen Schriften vertraut, hatte sich aber besonders den Lehren von Rabbi Isaac Luria gewidmet, einem berühmten Kabbalisten, der den Beinamen Art (»der Löwe«) trug und seine Anhänger lehrte, sie könnten durch eine asketische Lebensweise, Meditation und Einhaltung der Gebote das messianische Zeitalter rascher herbeiführen.

Sabbatai Zwi war in der Lage, anhaltende ekstatische Zustände bei sich zu erzeugen. Die polnisch-ukrainischen Pogrome begriff er als Zeichen. Das öffentliche Aussprechen des Gottesnamens führte dazu, dass er 1651 von seinem Lehrer Josef Iskafa verbannt wurde. Die jüdischen Zentren in Tiberias und Safed waren von den Drusen und Türken zerstört worden, deshalb ging er über Saloniki, Konstantinopel und Kairo nach Jerusalem, wo er leidenschaftlich an den Gräbern der Patriarchen betete, hungerte und sich kasteite, was ihm zahllose Anhänger einbrachte.

Sie schickten ihn nach Ägypten, wo er mit großen Ehren empfangen wurde. In Kairo heiratete er eine Prostituierte namens Sarah, die eine sehr ungewöhnliche Frau gewesen sein muss. Ihre Eltern waren bei einem Pogrom erschlagen worden, und sie war in einem polnischen Kloster aufgewachsen. In Amsterdam, so erzählte sie später, hatte sie eine Vision, in der ihr mitgeteilt wurde, ein wundertätiger Rabbi namens Sabbatai Zwi werde sie heiraten. In der Tat gab es eine Legende, wonach der Messias eine unreine Frau nehmen würde.

Sabbatai kehrte zurück ins Heilige Land, wo seine Verkündigung von dem kabbalistischen Prediger Natan Benjamin ha-Levi aus Gaza unterstützt wurde, der sich zu seinem »Elia« erklärte, dem Propheten und Wegbereiter für »Unseren Messias Sabbatai Zwi«. Am 31. Mai 1665 ließ sich Sabbatai offiziell zum Messias ausrufen. Er glaubte offenbar, er sei berufen, die Erwartungen gewisser englischer Christen zu erfüllen, die vorhergesagt hatten, das tausendjährige Reich Gottes werde im Jahre 1666 beginnen.

Die Rabbiner in Jerusalem waren empört und verbannten ihn aus der Stadt. Sabbatai kehrte nach Smyrna zurück, wo er mit gewaltigem Enthusiasmus begrüßt wurde. In ganz Kleinasien begann der Sabbatianismus sich auszubreiten. Die Ekstase und Hysterie, die Sabbatais mystisches Evangelium auslösten, sind schwer zu beschreiben. Ein messianisches Fieber erfasste die jüdischen Gemeinden in der Türkei, in Venedig, Hamburg und Amsterdam und am Ende selbst London. Für viele wurde Sabbatai zum »König der Juden«, wie ehemals Jesus. Tausende bereiteten sich auf das Ende der Welt vor, verkauften all ihre Habe, regelten ihre Geschäfte, verließen ihre Häuser in Sack und Asche, begannen zu fasten und beteten um das Jüngste Gericht. Der 18. Juni 1666 wurde zum Tag der Erlösung bestimmt. W Der Religionshistoriker Gershom Scholem {geb. 1897 in Berlin, gest. 1982 in Jerusalem) vermutet, dass mehr als die Hälfte der damaligen Juden (einschließlich der europäischen Juden) die messianischen Ansprüche Sabbatais ernst nahmen, der wahrscheinlich eine manisch-depressive Persönlichkeit war. Siehe Scholems Standardwerk Sabbatai Zwi. Der mystische Messias (Jüdischer Verlag, 1992). Anfang 1666 ging Zwi nach Konstantinopel, wo die türkischen Behörden ihn festnahmen und auf den Dardanellen unter Hausarrest stellten. Auch hier erreichten ihn weiter die Botschaften seiner zahllosen Anhänger. Schließlich wurde Zwi vor den Sultan gebracht und vor die Wahl gestellt, entweder zum Islam überzutreten oder sich einen Kopf kürzer machen zu lassen. Er behielt den Kopf auf den Schultern und erhielt am 15. September 1666 den Namen Asis Mehmed Effendi, seine Frau hieß fortan Fatirna Radini. Eine Zeitlang führte er eine Doppelexistenz als Jude und Moslem, und sein Freund Natan aus Gaza fand eine halbwegs glaubwürdige Erklärung für seine Apostasie. (Daher bedeutete seine Konversion auch nicht das Ende des Sabbatianismus.) Im Jahre 1672 wurde er denunziert und nach Dulcigno (heute Ulcinj in Montenegro) verbannt, wo er 1676 starb.  - (ji) 

 

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