Apachenrhetorik    Um sie herum, unhörbar im heulenden Wind, waren Geräusche. Geräusche, die man eher fühlte als hörte. Leise Unterbrechungen der Stille, auf die zu achten Ike und Tepaha sich antrainiert hatten, und die zu deuten eine Überlebensnotwendigkeit war. Schweigend zogen sie ihre Messer. Fast gleichzeitig stiegen ihre Pferde auf, verängstigt, als ihre Zügel unvermittelt von unsichtbaren Händen ergriffen wurde. Und dann - nun, nichts dann. Nichts weiter als ein paar Lanzen, die hart auf die Schädel von Tepaha und Ike trafen und sie besinnungslos aus ihren Sätteln schlugen.

Mit Stößen und Tritten wurden sie auf die Beine gebracht.

Während die Lanzenspitzen unentwegt in ihren Hintern stachen, wurden sie in das Dorf des Apachenführers Geronimo und das Wigwam von Geronimo persönlich getrieben.

Zu jener Zeit war der Indianerhäuptling in den Mittvierzigern, annähernd doppelt so alt wie Ike und Tepaha. Nach den damaligen Maßstäben war er also ein alter Mann. Doch Geronimo trug die Jahre harten Lebens gut, sein Körper war mager und drahtig, sein Gesichtsausdruck weniger wild, als vielmehr sardonisch amüsiert. Er zog es vor, Ike zu ignorieren, wandte sich statt dessen im Tone grüblerischer Verwunderung an Tepaha.

»Und was haben wir denn hier?« begehrte er zu wissen. »Was ist das für ein seltsames Wesen, welches aussieht wie ein Indianer, nicht weniger als ein Apache, und doch offenbar der Hund eines weißen Mannes ist, der den Arsch und die Eier seines Herren leckt, aus Furcht, er könnte mit einem kleinen Stöckchen geschlagen werden?«

»Alter Mann, du riechst deinen eigenen Atem«, erwiderte Tepaha hochnäsig. »Für einen, der sich von der Scheiße des Hundes ernährt, sind alle anderen Hunde.«

Eine Lanzenspitze stach ihn tadelnd. Tepahas vorschnellende Hand ergriff sie am Schaft und brach diesen ohne sichtbare Anstrengung mit einer Bewegung seines Handgelenks ab. Das war ein enormer Kraftbeweis. Geronimo belohnte es mit einem Kopfschütteln an den Tapferen, der im Begriff war, Tepaha durchzuknüppeln.

»So«, sagte Geronimo, »vielleicht bist du kein Hund. Vielleicht. Du wirst uns also dein Zusammensein mit diesem weißen Mann erklären, und du wirst uns sagen, wer er ist und warum er nicht dein Herr ist.«

Stolz berichtete Tepaha, daß Ike sein Freund und Bruder sei. Schon vor dem Eintritt ins Mannesalter, da sie beide in einem mexikanischen Gefängnis als banäidoszum Tode verurteilt worden waren. Sie waren gemeinsam aus dem Gefängnis geflohen, und Tepaha wurde dabei ernstlich verletzt, Ike hatte ihn auf eine Ranch über den Rio Grande gebracht. Deren Inhaber, ein spanischer Grande, hatte ihnen Zuflucht angeboten und dann heimtückisch einen seiner Azteken-peon gesandt, um die carbineros herbeizurufen. Der Mann hatte es statt dessen Ike erzählt, also erschlug Ike den Spanier, und sobald Tepaha gesund genug zum Weiterreisen war, hatten sie die Gebäude der Ranch niedergebrannt und das Vieh weggetrieben; diejenigen peons, die wollten, durften mit ihnen kommen.

»Wir ließen uns weitab vom Rio nieder«, fuhr Tepaha fort, »in einem Tal, zweihundert Meilen entfernt. Wir bauten ein Wigwam dort und Nebenhäuser. Aber es waren viele Apachen in der Gegend, und bald verließen uns die peons voller Furcht. Sie waren so lange Sklaven gewesen, daß sie den Willen zu kämpfen verloren hatten. Ich hätte natürlich gekämpft, denn Old Ike war mein Freund und Bruder. Aber Ike sagte, das sei nicht notwendig. Statt dessen ging er unbewaffnet unter die Apachen und nannte sie seine Brüder, und er lud sie ein, als Gäste in sein Wigwam zu kommen und zu nehmen, was immer sie brauchten. Und -«

»Und?« Geronimos Augen glänzten vor ironischer Anerkennung. »Also kamen sie, eh? Als Gäste. Und weil sie Gäste waren, raubten sie ihm nicht alles und brachten ihn nicht um, wie sie es sonst getan hätten.«

 »Weshalb sollten sie?« sagte Tepaha ärgerlich. »Mißbrauchen Apachen Freundschaft? Mißhandeln sie einen Bruder? Aber vielleicht«, fügte er anzüglich hinzu, »ist das der Brauch bei den Oklahoma-Apachen.«

»Du«, unterrichtete Geronimo ihn, »bist dem Tode sehr nahe, o Tepaha. Du tust besser daran, niemanden zu beschimpfen und Fragen zu beantworten, nicht Fragen zu stellen. Gerade ist ein gefangener Osage im Lager, dessen großer Mund und kleines Gehirn ihn am Morgen sein Leben kosten werden.«

Tepaha setzte sich aufrecht und spuckte verächtlich. »Ho! Höre mich, o Geronimo«, fuhr er fort. »Das ist Old Ike King! Wenn er scheißt, werden große Bergketten aus seinen Haufen geformt, und schreckliche Überschwemmungen kommen, wenn er pißt, und wenn er furzt, werden ganze Wüsten in den Himmel getragen. Dies habe ich gesehen. Ich, sein Obervaquero. Und hinter uns kommen noch zweihundert tapfere Apachen, vaqueros wie ich, mit ihren Familien. Alle sind geschworene Bruder von Ike, alle Feinde seiner Feinde. Also drohe uns nicht mit dem Schicksal deines elenden Osage, denn du versuchst das Schicksal, wenn du von Osage und meinem Bruder Old Ike im gleichen Atemzug sprichst!«

Die alten Männer im Wigwam tauschten heimlich anerkennende Blicke, denn das war gut gesprochen. Aber Geronimo war nicht leicht zu beeindrucken.

»Du redest großen Scheiß, Apachenhund«, sagte er. »Nichts kommt hinter dir als dein schrumpliger Arsch, es sei denn die carbineros, die euch aus Tejas verjagt haben.«  - (thom2)

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