öde
Wenn der Sumpf sich mir als Dung darbietet, dann erkäre ich
mich spaßeshalber als Chronist, als Historiker des Dungs, als Aöde, Prophet
und Sänger des Dungs, bereit, die Geschichte des Dungs, seine Liebes- und Ruhmestaten
in Stanzen aufzuschreiben. Aber ich frage mich, wenn dieses Dung ist, wie es
ja scheint oder scheinen möchte, wird dieser Stoff dann nicht auch ein eigenes
Zentrum haben, ein Herz und ein denkendes und formendes Gehirn, kurzum, wird
diese Ausscheidung dann in einer Latrine deponiert sein, oder befinde ich mich
hier im Irrtum, verwechsle ich etwas, und der Sumpf ist selbst Skybalum oder
Latrine, oder beides? Latrine, Friedhof, Ort, wo alles endet, was existierend
nichts weiter ist als exkrementaler Gestank. Ist die Latrine die gemeine Version
der Unterwelt und der Stätte des Gerichts, oder ist die Unterwelt im Gegenteil
die vornehme Verkleidung der Latrine, des Aborts für den Aftergott? Der Sumpf
erscheint mir - und ich glaube, es kann gar nicht anders sein - als edler und
niedrigster, zentraler und peripherer, wohlgestalteter und unförmiger, entstellter,
obszöner, schändlicher, stinkender und zugleich weihrauchduftender Ort. Gestank,
nicht wahr? Aber könnte dieser Gestank nicht auch der Lieblingsduft des besagten
Sphinkters sein? Könnte dieser Miasmus nicht auch eine Andachtshandlung sein,
eine kostbare sogar, oder ein frommes Lied, eine Litanei, eine Anrufung - rituell
veredelt eben durch jenen Schwall fauligen Weihrauchs? Und ich verneige mich
kurz, lachend, so als stünde ich vor der wahren, der vollkommenen Andacht. - Giorgio Manganelli,
Der endgültige Sumpf. Berlin 1993(zuerst 1991)
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