Anthropisches Prinzip   Ein einfaches Beispiel mag diese Art voi Gedankengang verdeutlichen: Wir existieren nur, weil es KOHLENSTOFF gibt (siehe LEBEN). Der Kohlenstoff ist in den Sternen entstanden, die sämtliche Elemente, darunter aucl den Kohlenstoff (siehe ENTSTEHUNG DER ELEMENTE), in einer charakteristischen Zeit t* erzeugen, die, wie man zeigen kann, näherungsweise (denn sie variiert mit den verschiedenei Sterntypen) von folgender Verknüpfung dei vier Naturkonstanten k (Plancksches Wirkunsgquantumj, G (Gravitationskonstante) m (Neutronenmasse) und c (Lichtgeschwindigkeit) abhängt: t* = h2/Gm3c. Diese Zeitspanne beträgt etwa 108 Jahre. Wir dürfer daher nicht erstaunt sein, dass unser Universum zumindest dieses Alter hat, denn anderenfalls gäbe es keinen Kohlenstoff, das heißt, es gäbe auch uns nicht, und wir könnten nichts darüber sagen.

Das anthropische Prinzip besagt nun in seiner schwachen Fassung, die auf Branden Carter zurückgeht, dass die Naturkonstanten oder die kosmologischen Konstanten nicht jeden beliebigen Wert haben können; vielmehr sind nur solche Werte möglich, die die Entstehung des Lebens und eine hinreichende Zeit für dessen Evolution zulassen; so ist der Kehrwert der Hubblekonstanten eine fundamentale kosmologische Größe, die Auskunft über die Entwicklungszeit des heutigen Universums gibt. Diese Zeitspanne kann nicht kleiner als der oben bestimmte Wert für t* sein, weil wir sonst nicht existierten.

In seiner starken und sehr viel weiter reichenden Fassung besagt das anthropische Prinzip: Das Universum besitzt notwendig die Eigenschaften, die nach einer gewissen Entwicklungszeit zur Entstehung des Lebens führen. In dieser Formulierung steckt eine finalistische Hypothese, wie man sie auch in religiösen Schöpfungsvorstellungen findet (siehe SCHÖPFUNG). Sie kann sich aber auch in der Vorstellung äußern, dass es andere Universen geben kann, in denen andere Naturgesetze herrschen und daher kein bewusstes Leben existiert. Diese Fassung ist recht paradox, wenn man an die Zerbrechlichkeit des irdischen Lebens denkt; aus der behaupteten Notwendigkeit, die gleichsam konsubstantiell mit dem Universum wäre, folgte nämlich, dass das Leben (oder zumindest eine intelligente Form der Informationsverarbeitung) sich notwendig im Universum halten müsste. In seiner schwachen Fassung könnte das Prinzip als trivial erscheinen, doch über die Gedankengänge und Vorhersagen hinaus, zu denen es Anlass gibt, ist dieses Prinzip die Reformulierung eines sehr feinsinnigen strukturellen Prinzips der Wissenschaft: Bei der Interpretation der Beobachtungen (in unserem Fall der physikalischen oder kosmologischen Konstanten) darf man niemals die Grenzen außer Acht lassen, die uns die Stellung des Beobachters oder unsere Messgeräte setzen, denn der Beobachter kann nichts finden, das im Widerspruch zu seiner eigenen Existenz stünde. In seiner starken Fassung behauptet das Prinzip dagegen eine Notwendigkeit, die vor jeder Beobachtung liegt, und gehört daher in den Bereich reiner Spekulation.      - (thes)

Anthropisches Prinzip (2) Eine mögliche Antwort liefert das anthropische Prinzip. Zwei Raumdimensionen scheinen für die Entwicklung so komplizierter Wesen, wie wir es sind, nicht auszureichen. Beispielsweise müßten zweidimensionale Tiere, die auf einer zweidimensionalen Erde lebten, übereinanderklettern, um aneinander vorbeizukommen. Wenn ein zweidimensionales Geschöpf etwas fressen würde, müßte es die unverdaulichen Überreste auf dem gleichen Weg nach draußen befördern, auf dem die Nahrung nach innen gelänge, denn gäbe es einen Weg durch den Körper des Geschöpfes, würde er es in zwei separate Hälften zerlegen — unser zweidimensionales Wesen fiele auseinander (Abb. 35). Entsprechend läßt es sich schwer vorstellen, wie der Blutkreislauf eines solchen zweidimensionalen Geschöpfes aussehen sollte.

zweidimensionales Tier

Probleme würde es auch bei mehr als drei Raumdimensionen geben. Die Gravitationskraft zwischen zwei Körpern würde mit der Entfernung rascher abnehmen als in drei Dimensionen. (In drei Dimensionen verringert sich die Gravitation auf ein Viertel der ursprünglichen Stärke, wenn man die Entfernung verdoppelt).

In vier Dimensionen würde sie auf ein Achtel zurückgehen, in fünf Dimensionen auf ein Sechzehntel und so fort.) Damit würden die Umlaufbahnen der Planeten, zum Beispiel die der Erde um die Sonne, instabil werden: Die geringste Ablenkung von einer kreisförmigen Umlaufbahn (wie sie etwa die Gravitation anderer Planeten verursachen könnte) würde dazu führen, daß sich die Erde in Spiralen auf die Sonne zu- oder von ihr fortbewegte. Dieses Verhalten der Gravitation bei wachsender Entfernung in mehr als drei Dimensionen hätte auch zur Folge, daß die Sonne keinen stabilen Gleichgewichtszustand zwischen Druck und Gravitation herstellen könnte. Sie würde entweder auseinanderfallen oder zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen. In beiden Fällen wäre sie als Wärme- und Lichtquelle für das Leben auf der Erde ohne großen Wert. Genauso wie die Gravitationskräfte verhielten sich im kleinräumigen Bereich die elektrischen Kräfte, die das Elektron veranlassen, um den Atomkern zu kreisen. Das Elektron würde sich also entweder gänzlich von dem Atom entfernen oder spiralförmig in den Kern wandern. In beiden Fällen hätten wir es nicht mehr mit Atomen zu tun, wie wir sie kennen.

Daraus scheint zu folgen, daß das Leben, zumindest in der uns bekannten Form, nur in Regionen der Raumzeit vorkommen kann, in denen drei Raum- und eine Zeitdimension nicht eng zusammengerollt sind. - Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit. - Reinbek 1991 (zuerst 1988)

Prinzip

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB
Vermittler

 Zufall

Synonyme

Antonym