nstarren   Es war mir, die gierig alles in sich hineinsog, als wäre die ganze Landschaft um mich her vom Tode angerührt. Und während ich dies schreibe, spüre ich wiederum das drückende Schweigen, in dem alle Geräusche des Abends ertranken. Die Krähen im goldenen Himmel über mir hörten auf zu krächzen, und alle die freundlichen Stimmen der Stunde waren plötzlich verstummt; sonst aber blieb die Natur unverändert, außer daß ich alles mit einer ungewohnten Schärfe sah. Der Himmel war immer noch golden, die Luft vollkommen klar und der Mann, der mich über die Brustwehr hinweg anblickte, so deutlich wie ein Bild in einem Rahmen. Infolgedessen dachte ich mit unheimlicher Schnelle an jeden Menschen, der er hätte sein können, aber doch nicht war. Wir standen uns so lange gegenüber, daß ich mich aufs genaueste fragen konnte, wer er sei; und da ich völlig unfähig war, mir zu antworten, so wurde mein Staunen immer größer.

Die Hauptfrage oder doch eine der Hauptfragen, die man sich bei gewissen Erlebnissen hinterher zu stellen pflegt, lautet (ich weiß es aus Erfahrung): ›Wie lange hat es gedauert?‹ Mein Erlebnis nun, über das jeder denken mag, was er will, dauerte genau so lange, wie ich mir ein Dutzend Möglichkeiten, die alle gleich unwahrscheinlich waren, überlegte: wie sich wohl — und vor allem seit wann? — jemand im Hause befinden könne, von dem ich nichts wisse. Es dauerte so lange, wie ich mich mit dem Gefühl herumstritt, daß eine solche Unkenntnis um das Vorhandensein einer solchen Person mit meiner Stellung eigentlich unvereinbar seien. Es dauerte so lange, wie dieser Besucher, der sich die Freiheit herausnahm, keinen Hut zu tragen, mich von seinem Platze aus genau so fragend und forschend anstarrte wie ich ihn. Wir waren zu weit von einander entfernt, um uns anzurufen; bei größerer Nähe hätte schließlich doch einer von uns beiden die Stille dieses beiderseitigen Anstarrens durch einen Anruf unterbrochen. Er stand auf der dem Hause abgewandten Ecke des Turmes: sehr grade und mit beiden Händen auf die Brüstung gestützt. Ich sah ihn so deutlich wie die Buchstaben, die ich hier niederschreibe. Nach einiger Zeit aber, wie um das Schauspiel zu beleben, wechselte er langsam seinen Platz und begab sich, mich dauernd scharf anblickend, nach der entgegengesetzten Ecke des Söllers. Ich war in der Tat fest überzeugt, daß er mich nicht einen Augenblick aus den Augen ließ; und auch jetzt sehe ich wieder deutlich vor mir, wie seine Hand sich beim Gehen von einer Zinne zur nächsten tastete. Er blieb an der andern Ecke stehen, aber weniger lange, und sah mich, ehe er sich abwandte, noch einmal prüfend an. Dann verschwand er; und das war alles.  - Henry James,  Bis zum Äußersten. Frankfurt am Main 1962 (zuerst 1898)