ngeln
Vor zehn Jahren, bei einem Ski-Urlaub mit ihrem Freund in Chamonix, hatte
sie einen schweren Unfall erlitten. Der Schaden saß irgendwo in ihrem Rücken.
Die Ärzte konnten nichts finden, niemand konnte ihrem Rücken etwas anmerken,
aber er tat weh, wie sie sagte. In Wirklichkeit fürchtete sie, ihren Mann nicht
zu kriegen, wenn sie nicht eine Verletzung vorgab, die sie in seinem Beisein
erlitten hatte. Philippe war damals sehr verliebt in sie, und sie hätte sich
da keine Sorgen zu machen brauchen. Trotzdem, Philippe geangelt zu haben und
die Gewißheit eines bequemen Lebens - um nicht zu sagen, eines Lebens im Bett
oder wie immer es ihr bequem erschien -, das war kein geringer Gewinn. Es war
das große Los. Wie viele andere Frauen brachten es soweit, sich auf Lebenszeit
einen Mann zu fangen, ihm nichts zu geben, nicht einmal seine Mahlzeiten zu
kochen und trotzdem in ziemlich großem Stil unterhalten zu werden? - Patricia Highsmith, Kleine Geschichten für Weiberfeinde. Eine weibliche
Typenlehre in siebzehn Beispielen. Mit siebzehn Zeichnungen von Roland Topor.
Zürich 1979 (detebe 20349)
Angeln (2) Wenn er in La Ciotat zum Angeln
ging, sah er sich immer voller Entsetzen die Luftsprünge des Fischs an, der
mit offenem, vom herausgerissenen Angelhaken blutenden Maul versuchte, in dieser
großen Masse Luft, die ihm Angst machte, einen atembaren Raum zu finden. Vom
lebendig gehäuteten Aal bis zur gekreuzigten Eule konnte das Leiden sich freuen.
Denn der Schmerz, das ist das Leiden, nicht das Verbrechen. Doch wenn das Verbrechen
sich an einem Schmerz weidet, dann ist es ein Leiden und ein Übel. -
(lim)